Freitag, 21. Juli 2017

Neukirch a. d. Thur. Kunst ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Haus Neukirch. In dieser Woche arbeiten dort mit Emrush Xhemajli und Zenun Sherifi zwei renommierte Kunstmaler aus dem Kosovo.

Viele nutzen die Sommerferien, um auszuspannen. Nicht so Emrush Xhemajli und Zenun Sherifi, die Gäste von Joe Jöhl im Haus Neukirch. Zusammen mit ihrem Gastgeber stehen sie in dieser Woche von morgens bis abends an ihren Staffeleien und widmen sich ganz ihrer Malerei. Emrush Xhemajli und Zenun Sherifi lehren als Professoren an der Privatuniversität Kolegji AAB im kosovarischen Pristina, Emrush Xhemajli ebenfalls an der Staatlichen Universität Tetovo in Mazedonien.

Zum zweiten Mal hier
Emrush Xhemajli ist kein Unbekannter in der Schweiz, stellt er hierzulande doch schon seit einigen Jahrzehnten regelmäs­sig aus. Letztes Jahr verbrachte er zum ersten Mal eine Woche im Haus Neukirch bei seinem Freund Joe Jöhl, um in Ruhe zu arbeiten. Im Saal des Hauses zeugen etliche Bilder von diesem Aufenthalt. Auf dem Weg zum Saal sticht ein Gemälde besonders ins Auge. Es ist ein Porträt einer Frau, die Emrush Xhemajli als 18-jähriger Gymnasiast gemalt hat, und heute im Besitz von Joe Jöhl ist. Bereits in diesem Frühwerk zeigt sich das grosse Talent des Künstlers Xhemajli, der es versteht, Menschen in seinen Porträts nicht nur abzubilden, sondern ihnen einen unverwechselbaren Charakter zu verleihen. Seine Malerei beschränkt sich jedoch nicht auf Porträts, sondern ist vielfältig. Im letzten Jahr liess der 58-Jährige das Thema Mann und Frau und das Zusammenleben der Menschen in seine Kunst einfliessen. An diesem Nachmittag malt er an einer kosovarischen Landschaft. Immer wieder tritt er beim Malen einige Schritte zurück, betrachtet sein Werk, setzt dort an, wo ihn das Resultat noch nicht befriedigt. Nach Neukirch ist er gut vorbereitet gekommen. «Hier will ich eine Woche nur malen», sagt er. «Die Ideen und Skizzen habe ich bereits vorher entwickelt. Nur so ist es möglich, dass ich an einem Tag ein ganzes Bild fertigstellen kann.»

Gläser voll mit Optimismus
Klare lineare Strukturen sind ein Merkmal von Zenun Sherifis Werken. Er wird nicht müde, Alltagsgegenstände wie Krüge, Tassen, Flaschen und Gläser in seinen Gemälden immer wieder neu zu arrangieren und sie miteinander in Kontakt treten zu lassen. Er malt die Gegenstände nicht figürlich, sondern in abstrakten Formen und bunten Farben. Glas ist ein Hauptthema in seinen Bildern. «Ich versuche, die Gläser immer mit Optimismus zu füllen, egal ob ich sie in meinen Bildern voll oder leer abbilde», schmunzelt er. Die Motivation, weitere Variationen zu suchen, sei bei ihm durch den Umgang mit seinen Studenten immer präsent. In Neukirch geniesst er, ­genauso wie Emrush Xhemajli, die Freiheit, von morgens bis abends ohne störende Ablenkung arbeiten zu können.

Kollegiales Miteinander
Und der Gastgeber? Joe Jöhl arbeitet nicht minder konzentriert an seinen Gemälden. Er sei der einzige Laie der Gruppe, betont er. «Was ich an Emrush und Zenun besonders schätze, ist der Respekt, den sie meiner Malerei gegenüber zeigen. Wir diskutieren auf Augenhöhe. Wenn man bedenkt, was sie geschaffen und erreicht haben, ist das nicht selbstverständlich.» Vom Können der beiden Künstler könne er nur profitieren. Im Gegensatz zu den Gemälden seiner Gäste kommen auf Joe Jöhls Bildern immer Menschen vor. Das liege vermutlich daran, dass er sowieso immer gerne Menschen um sich habe, sagt er. «Deshalb fühle ich mich in unserem grossen Haus mit den vielen Mitbewohnern auch so wohl.» Kennengelernt hat er Emrush Xhemajli über die Malerei während eines Aufenthalts im Kosovo. Durch ihn lernte er auch Zenun Sherifi kennen. Für die schöne Zeit, die er mit ihnen im Kosovo verbringen konnte, revanchierte er sich mit einer Einladung nach Neukirch.

Hannelore Bruderer