Freitag, 3. Februar 2017

Bürglen. Werden Fledermäuse in ihrem Winterschlaf gestört, kann das für die geschützten Tiere fatale Folgen haben. Susi Kreis von der Fledermaus-Notfallstation in Bürglen erklärt warum und was man dagegen tun kann.

Am liebsten ist es Susi Kreis, wenn Fledermäuse erst gar nicht bei ihr in der Notfallstation landen und ihr freies Leben genies­sen können. Durch Unachtsamkeit oder Unwissenheit ist es aber manchmal nötig, dass Fachleute (siehe Kasten) Fledermäuse gesund pflegen müssen, bevor sie sie wieder in die Natur entlassen können. Werden die scheuen Nachttiere im Winterschlaf gestört, sind sie besonders in Gefahr. Beim Winterschlaf senkt sich nicht nur die Körpertemperatur der Tiere ab, auch ihr ganzer Stoffwechsel und die Blutwerte verändern sich. Die Frequenzen der Herzschläge und Atemzüge minimieren sich auf einige wenige pro Minute. In der Winterschlafphase seien Fledermäuse nicht bewegungsfähig und würden deshalb manchmal aussehen, als wären sie tot, sagt Susi Kreis. «Fledermäuse ernähren sich von Insekten, die es im Winter aber nicht gibt. Ihre einzige Überlebenstrategie für die kalte Jahreszeit ist der Winterschlaf.»

In Ritzen und Spalten
Anders als in den Vorstellungen vieler Menschen leben die heimischen Fledermausarten nicht in Höhlen. Für ihren Winterschlaf ziehen sie sich gerne in Holzbeigen, hinter Fassaden oder in Baumritzen zurück. «Es kommt vor, dass mit dem Cheminée-Holz eine Fledermaus ins Haus getragen wird. In der Wärme erwacht sie dann aus ihrem Winterschlaf und beginnt zu fliegen, sofern sie beim Holztransport nicht verletzt wurde», sagt Susi Kreis. «Fliegt die Fledermaus, verbraucht sie Energie, findet  aber keine Nahrung. In einem solchen Falls sind wir froh, wenn so schnell wie möglich mit der nächsten Fledermaus-Notfallstation Kontakt aufgenommen wird. Wir prüfen dann den Ernährungszustand der Fledermaus. Ist sie noch satt genug und fehlt ihr auch sonst nichts, kann sie wieder draussen eingewintert werden.»
Kleinere Fledermausarten halten ihren Winterschlaf auch häufig in Ritzen und Hohlräumen von Bäumen. «Man kann jedoch kaum feststellen, ob in einem von aussen sichtbaren Riss im Holz nun Tiere drin sind oder nicht», sagt die Fledermausexpertin. «Wegen der Abwärme der Gebäude werden auch Spalten in Fassaden von Fledermäusen gerne zum Winterquartier erkoren. Ihnen droht Gefahr, wenn eine Fassade im Winter erneuert wird. Da die Tiere bewegungsunfähig sind, können sie nicht flüchten. «Wir bitten deshalb alle, die Bäume zurückschneiden und fällen oder Haussanierungsarbeiten ausführen, vorsichtig ans Werk zu gehen und sich bei einem Fledermausfund an unsere Notpflegestationen zu wenden», sagt Susi Kreis.
Einigen Handwerkern, Landwirten und Privatpersonen sei bewusst, dass sie an Orten, die Fledermäusen als Unterschlupf dienen könnten, zu jeder Jahreszeit vorsichtig hantieren müssten, alle anderen hoffen die Experten der Fledermausstationen mit ihren Informationen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Vorsicht beim Anfassen
«Wenn man auf Federmäuse stösst, sollte man dringend schauen, dass man nicht gebissen wird. Eine solche Bissverletzung ist zwar äusserst klein, es könnten jedoch Krankheiten übertragen werden oder Infektionen entstehen», warnt Susi Kreis. Darunter sind auch gefährliche Krankheiten wie Tollwut. «Tollwut ist bei uns zwar so gut wie ausgerottet, aber bei  Fledermäusen kann sie noch vorkommen.» Eine Fledermaus beisse weder im Flug noch am Boden ohne Grund zu, sondern nur, wenn sie sich direkt bedroht fühle, erklärt Susi Kreis. Dies sei immer dann der Fall, wenn man eine Fledermaus anfasse, da das Tier dies als Angriff auf sein Leben werte. Beim Anfassen einer Fledermaus sei es deshalb ratsam, Handschuhe zu tragen oder einen Lappen zu verwenden. Ferner rät Susi Kreis von Fütterungsversuchen bei einem Fledermausfund ab. «Fledermäuse fressen ausschliesslich Insekten, und zwar kleine Mücken und Fliegen», sagt sie. Von unwissenden Findern würden den Tieren manchmal Katzenfutter, Wurst, Käse oder Joghurt hingestellt. «Das ist zwar gut gemeint, aber all dies, sowie auch Kuhmilch, kann für Fledermäuse schädlich bis tödlich sein», erklärt sie. «Wer den Tieren wirklich etwas Gutes tun will, soll ihnen einzig etwas Wasser hinstellen.»

Hannelore Bruderer

Fledermaus-Notfallstationen

Verletzte Feldermäuse oder Fledermäuse, die beim Winterschlaf gestört wurden, werden im Kanton Thurgau von den Fledermaus-Notpflegestationen in Bischofszell, Bürglen und Ettenhausen bei Aadorf aufgenommen. Findlinge aus der Region Arbon übernimmt die Station in Rorschach. Die Kontaktdaten der Stationen sind auf der Webseite www.fledermausschutz-tg.ch unter der Rubrik Ansprechspartner aufgeführt. (hab)