Freitag, 28. Mai 2021

Sulgen. Jürg Peter ist seit November pensioniert. Ende Mai übergibt er sein Amt als Präsident der Spitex AachThurLand an Joos Bernhard. 

Sie sind 1998 in den Vorstand des damaligen Haus- und Krankenpflegevereins Sulgen und Umgebung gewählt worden, die heutige Spitex AachThurLand, die Sie seit 20 Jahren präsidieren. Wie ist es dazu gekommen?
Jürg Peter: Ich kam mit dem damaligen Präsidenten Melchior Kamm ins Gespräch. Er interessierte sich sehr für den Aufbau des Kiwi, für das ich damals als Mitglied der Kirchenvorsteherschaft ver­antwortlich war und sah in mir wohl ­eine geeignete Person, um den Vorstand des Pflegevereins zur ergänzen. Die Idee, Menschen möglichst lange in ihrer angestammten Umgebung zu pflegen, ist eine gute Sache. Weil ich mich damals beruflich neu orientierte, hatte ich auch die nötige zeitliche Kapazität. 

Wie hat sich die Spitex AachThurLand seit Ihrem Amtsantritt entwickelt?
Peter: Der Grundgedanke ist über all die Zeit gleichgeblieben, aber sonst hat sich einiges getan. Zum Beispiel in Sachen Elektronik. Vor zwanzig Jahren hatte die Spitex nur einen Festnetzanschluss mit einem Kästchen, damit Anrufe auf andere Festnetztelefone umgeleitet werden konnten. Addiert wurde mit der Handrechenmaschine. Damals teilten sich sechs Mitarbeitende 450 Stellenprozente, heute sind es 30 Mitarbeitende, die 1700 Stellenprozente belegen. Schon kurz nach meinem Amtsantritt stieg der Kostendruck von aussen. Die Spitex AachThurLand finanziert sich über Mitgliederbeiträge, Spenden und die Beiträge der angeschlossenen Gemeinden Sulgen, Kradolf-Schönenberg und Hohentannen. In diesen Gemeinden ist unsere Organisation gut verankert. Mit rund 800 Mitgliedern verzeichnen wir eine der höchsten Mitgliederdichten der Spitexorganisationen im Kanton Thurgau pro Einwohner. 

Viele kleinere Spitexorganisationen haben fusioniert. Sie nicht. Warum?
Peter: Im Zuge der Professionalisierung und aufgrund der damaligen Empfehlungen des Verbands war der Druck zur ­Fusion auch bei uns immens. Aber wir hatten schon vor zehn Jahren das Bewusstsein, dass wir eine gut funktionierende, kostengünstige und professionell arbeitende Spitex sind, die sich auch als kleine Organisation behaupten kann. Uns ohne Not einfach einem grösseren Gebilde anzuschliessen, ohne genau zu wissen, wer dort künftig das Sagen hat, haben wir gründlich hinterfragt. Nirgends sind die Kommunikationswege so kurz wie in einem Verein. Dass auch kleine Organisationen effizient arbeiten und ihre Berechtigungen haben, hat vor Kurzem selbst unser Verband eingeräumt. 

Wie war und ist die Zusammenarbeit im Team und mit den angeschlossenen Gemeinden?
Peter: Beim Personal haben wir wenig Wechsel. Erst einmal mussten wir uns von jemandem trennen, weil wir zu unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen hatten. Dieser Entscheid war nicht leicht und ging mir unter die Haut. Das Zusammenspiel zwischen Betrieb und Vorstand ist immer eine Herausforderung. Im Vorstand ist niemand vom Fach, ausser der Ärztevertreter. Entsprechend hoch muss das gegenseitige Vertrauen sein. Mit den Gemeinden haben wir ein gutes Einvernehmen.

Wie bewältigt die Spitex AachThurLand die Coronapandemie?
Peter: Für uns war es ein Glücksfall, dass wir gerade rechtzeitig in die grös­seren Räume umgezogen sind. So konnten wir das Team aufteilen, damit sich nie zu viele Personen in den gleichen Räumen befinden. Vom Homeoffice aus können der Vorstand, die Betriebsleitung, die Finanzen und das Sekretariat auf alle Arbeitsunterlagen zugreifen. Was aber gross gelitten hat, ist der persönliche Kontakt untereinander, das merkt man schon. Beim Kundenkontakt hat der Schutz von Gepflegten und Pflegenden oberste Priorität. Anfangs gab es auch bei uns Materialmangel und wir hatten viel Glück, dass wir gerade noch rechtzeitig genügend Desinfektionsmittel erhielten. Für mich persönlich ist auch auf der Strecke geblieben, dass wir für die Öffentlichkeit kein neues Angebot generieren konnten. Alle paar Jahre hatten wir etwas Neues geschaffen, wie zum Beispiel den Besuchs- und Entlastungsdienst oder den 24-Stunden-Notruf, und es wäre an der Zeit, erneut etwas ins Leben zu rufen. Leider war dies nicht möglich. 

Was sind die gegenwärtigen und wo sehen Sie die zukünftigen Herausforderungen der Spitex AachThurLand?
Peter: Was heute und in Zukunft beschäftigen wird, ist der Mangel an gut qualifiziertem Personal. Die optimalen Personalressourcen zur richtigen Zeit zur Hand zu haben, wird eine Herausforderung bleiben. Damit eng verbunden ist auch die Kostenfrage, entfallen doch rund 85 Prozent der Aufwände auf die Personalkosten. Genügend geeignete Personen für den Vorstand zu finden, ist eine weitere Herausforderung, die der neue Präsident gleich angehen muss. Ein Wechsel ist bei den langjährigen Vorstandsmitgliedern absehbar. 

Gibt es ein bestimmtes Ereignis aus der Zeit Ihres Präsidiums, auf das Sie besonders gerne zurückblicken?
Peter: Dass wir ein Ausbildungsbetrieb geworden sind, ist ein schöner Erfolg. Auch dass wir den Besuchs- und Entlastungsdienst «für änand mit änand» mit freiwilligen Helfenden aufbauen konnten und dieser Bestand hat und sich bewährt, freut mich sehr. 

Gab es auch Niederlagen, die Sie einstecken mussten?
Peter: Es gab immer wieder einmal Sachen, die ich angeregt hatte, und die dann abgelehnt worden sind. Aber irgendwann wurden sie dann meist doch noch eingeführt. Schade fand ich, dass die Gelegenheit nicht ergriffen wurde, die Räume, in denen wir jetzt arbeiten, zu kaufen statt zu mieten. 

Was geben Sie Ihrem Nachfolger Joos Bernhard mit auf den Weg?
Peter: Er soll sein neues Amt geniessen und sich über das freuen, was er mit seinem Team erreichen wird. Gut zuhören und sich Zeit nehmen, sind zwei Eigenschaften, die in diesem Amt sehr nützlich sein können.

Sie werden in einer Zeit pensioniert, in der die grossen Abschiedsfeste nicht ­angesagt sind. Wie sehr bedauern Sie das?
Peter: Das bedauere ich schon sehr. Die interne Feier richten wir in zwei Teilen aus, damit wir die 15-Personen-Regel einhalten. Ganz gerne hätte ich mich von den Vereinsmitgliedern an einer Versammlung persönlich verabschiedet. Leider kann ich ihnen meine Wertschätzung nun nur schriftlich kundtun. 

Verraten Sie uns, was Sie für Pläne für ihren Ruhestand haben?
Peter: Wir haben uns ein Wohnmobil gekauft und werden damit herumreisen. Wir freuen uns auch auf die Zeit, die wir mit unseren sechs Enkelkindern verbringen können. Sie zu hüten und mit ihnen etwas zu unternehmen, ist eine ganz tolle Aufgabe, die uns sehr freut. Zudem haben wir noch ein Haus mit Garten, das gepflegt werden will.

Interview: Hannelore Bruderer

Zur Person:
Jürg Peter ist gelernter Mechaniker. Werkstattchef in einer Wiedereingliederungsstätte und Meister in einer Lehrwerkstatt mit rund 40 Lehrlingen waren einige seiner beruflichen Stationen. Seit über zwanzig Jahren leitet er als Katechet den Religionsunterricht an einer Schule und ist als Hausmann tätig. Er wohnt mit seiner Frau in Kradolf, hat drei erwachsene Kinder und sechs Enkelkinder.