Freitag, 6. August 2021
Erlen. An der Bundesfeier in Erlen standen gleich drei starke Frauen im Mittelpunkt. Beim Fest im Feuerwehrdepot wurde der «Erlen-Song» erstmals gemeinsam gesungen.
Seit einigen Jahren setzt Erlen bei den Reden zum Nationalfeiertag auf Stimmen aus der eigenen Gemeinde. In diesem Jahr, an dem sich das Ja zum Frauenstimmrecht zum fünfzigsten Mal jährt, gehörte das Rednerpult den Gemeinderätinnen Nicole Fischer und Gabriela Fehr. Um die Stimmung dieser denkwürdigen Abstimmung von 1971 einzufangen, holten sie die Zeitzeugin Edith Germann in ihre Runde und befragten sie. Als Mutter von fünf Kindern hätte sie die Abstimmung damals wenig beschäftigt, auch im Dorf sei wenig darüber gesprochen worden, erklärte diese. Ihr Mann habe das Frauenstimmrecht jedoch schon 1959 unterstützt. Die gewonnene Freiheit bekam für Edith Germann 1975 Bedeutung, als sie für das Amt als Gemeindeschreiberin und Mitglied der Ortskommission Ennetaach angefragt wurde. Für beides wurde sie gewählt, verzichtete aber für einen Kandidaten mit gleicher Stimmenanzahl auf den Einsitz in die Ortskommission. Dieser trat sie dann bei den nächsten Wahlen 1979 doch noch bei.
Um ihre Aufgaben zu meistern und sich in den von Männern dominierten Gremien zu behaupten, musste Edith Germann viel Neues lernen, was sie erfolgreich tat. «Ich erinnere mich aber auch, dass es mich immer gestört hat, dass ich an Anlässen oft als Fremdkörper wahrgenommen und nie korrekt begrüsst wurde. Immer hiess es nur ‹meine Herren› oder ‹sehr geehrte Herren›.» Gemeinderätin Nicole Fischer rief bei ihrer Rede zu einem respektvollen Miteinander und zur Dialogbereitschaft auf. Dies sei gerade in dieser Zeit wichtig, in der der Umgangston immer ruppiger werde. Ihre Amtskollegin Gabriela Fehr erinnerte daran, dass die Gleichberechtigung noch nicht in allen Bereichen erreicht sei und weiterhin daran gearbeitet werden solle. «Seid mutig und getraut euch, eure Visionen zu leben», gab sie den Frauen mit auf den Weg. Ohne die Unterstützung der Brass Band, die ihren Auftritt absagen musste, sangen die Erlerinnen und Erler die Nationalhymne und das Thurgauer Lied zu Musik ab Band. Dem Appell von Gemeindepräsident Thomas Bosshard, beim neuen Erlen-Song ebenfalls herzlich mitzusingen, kam die Festgemeinde nur zögerlich nach. Dies lag auch daran, dass die Anwesenden die Reihenfolge – «erst singen und dann mit dem bereitgestellten Prosecco auf das Lied anstossen» – nicht ganz im Griff hatten.
Hannelore Bruderer