Freitag, 29. September 2023

Erlen. Am Sonntag, 1. Oktober, lädt Pfarrerin Sarah Glättli zum Erntedankgottesdienst ein, der gleichzeitig ihr Abschiedsgottesdienst sein wird. Rund neun Jahre bekleidete sie das Pfarramt in der Evangelischen Kirchgemeinde Erlen. 

Sie verlassen die Gemeinde Erlen bald. Haben Sie schon gepackt? 

Sarah Glättli: Ich arbeite daran (deutet auf am Boden Bereitgestelltes) und hoffe, dass alles Platz hat in den Umzugskartons. Es kommt immer mehr zusammen als man denkt. 

Da Sie gut neun Jahre in Erlen Pfarrerin waren, gehe ich davon aus, dass es Ihnen hier gefallen hat. Was schätzen Sie besonders an Ihrer Gemeinde? 

Sarah Glättli: Es ist eine sehr offene und aktive Gemeinde. Es gibt viele Freiwillige, die in unterschiedlichen Bereichen mitarbeiten, die auch motiviert neue Projekte angehen und selber Ideen einbringen und umsetzen. Spontan kommt mir da ein israelischer Apéro in den Sinn, den ich zu organisieren hatte. «Bring einfach die Rezepte», hiess es vom Team und alle haben etwas beigesteuert. Ähnlich unkompliziert konnten wir auch den Weltgebetstag neu beleben. 

Während Ihrer Tätigkeit hier gab es ei­nige Wechsel in der Kirchenvorsteherschaft. Sie mussten sich öfters auf neue Personen und veränderte Führungskulturen einstellen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Sarah Glättli: Sicher muss man sich bei einem Wechsel wieder neu einarbeiten und zusammenfinden. Ein Wechsel tut einer Gemeinde aber auch gut, er bringt Chancen mit sich und kann bereichernd sein. Damit dies gelingt, braucht es Offenheit. Anfangs musste ich manchmal schon erklären, was mir wichtig ist. Mit der Zeit habe ich gelernt, mir zu vertrauen und für meine Sache einzustehen. 

Nach Bekanntwerden Ihrer Kündigung im Frühling sagten Sie, dass für Sie der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel gekommen sei, da so die Verantwortlichen der Kirchgemeinde nach dem geplanten Zusammenschluss der Kirchgemeinden Andwil und Erlen gemeinsam mit einer neuen Pfarrperson in die Zukunft gehen können. Hat Sie die Herausforderung, diese vergrösserte Kirchgemeinde zu betreuen, nicht gereizt? 

Sarah Glättli: Es wären dann zwei Kirchen und etwa 250 Personen mehr. Wenn ich erst vier Jahre hier gewesen wäre, hätte mich das vermutlich gereizt. Meiner Ansicht nach benötigt eine Fusion ein längerfristiges Engagement einer Pfarrperson. Jetzt bin ich aber schon neun Jahre hier und bereit für eine Veränderung und eine neue Herausforderung. Ich denke, dass mein Entscheid auch für die Kirchgemeinde gut ist. Falls die Fusion kommt, stehen mehrere personelle Entscheide an, alles ist da noch offen und kann neu gestaltet werden.  

Sie haben von Veränderung und neuen Herausforderungen gesprochen. Wie sehen diese konkret aus?  

Sarah Glättli: Ich bin keine Thurgauerin. Und obwohl ich mich hier in der Ostschweiz sehr wohl gefühlt habe, zieht es mich wieder näher zum Aargau. Nach meinem Vikariat hatte ich die Herausforderung eines Einzelamtes gesucht, weil ich so einmal die ganze Breite unseres Berufs mit allen Ansprechgruppen erfahren konnte. Das hat mir Erlen geboten und ich habe hier einiges dazugelernt. Es gab mir aber auch die Gelegenheit, mir zu überlegen, was mir an meinem Beruf besonders Freude bereitet. Hier habe ich eine Vollzeitstelle und in Pfäffikon werde ich mit einem 60-Prozent-Pensum in einem Team arbeiten. Das heisst auch, dass ich von derzeit drei Sonntagen im Monat künftig nur noch an einem Sonntag im Monat arbeiten werde. Zwar leite ich sehr gerne Gottesdienste, diese Reduktion gibt mir aber auch die Freiheit, mehr Zeit für anderes zu haben. 

Auf welche Moment ein Ihrer Zeit in Erlen blicken Sie besonders gerne zurück? 

Sarah Glättli: In diesem Jahr war die Israelreise sehr schön, die wir miteinander erleben durften, und auch die Seniorenreise im August. Dann gab es immer wieder spezielle Momente im Religionsunterricht. Die Fragen der Kinder und Jugendlichen zum Beispiel, wenn sie ­bestimmte Sachen bemerkt haben und mich zum Nachdenken anregten. In guter Erinnerung bleibt mir auch das Chilefescht unter dem Motto Wild West. Ich hielt eine Predigt zum Thema Freiheit, gefeiert wurde mit einem Postenlauf, einem Barbecue und Countrymusik. Wir hatten auch immer schöne Dankesessen für freiwillig Mitarbeitende. Wobei ich den Grundgedanken vertrete, dass alle Kirchbürger Mitarbeitende sind, zum Beispiel auch als Zuhörende im Gottesdienst. Gefreut hat mich auch die Durchführung des Krippenspiels mit den Kindern, die Krippenausstellung im Kirchgemeindehaus und dass wir «Singe mit dä Chlinschte» aufbauen und spezielle Kurse durchführen konnten. Bei der Organisation von Anlässen spürte ich immer viel Hilfsbereitschaft in der Gemeinde. 

Gab es auch schwierige Situationen? 

Sarah Glättli: Die hat es sicher auch gegeben. Extremsituationen sind Gott sei Dank ausgeblieben. Für mich persönlich waren Situationen schwierig, bei denen ich mich nicht verstanden gefühlt habe und Dialoge nicht zu einem Resultat führten. Mühe bereitete mir auch Illoyalität, zum Beispiel, wenn Absprachen getroffen und nachher nicht eingehalten wurden. 

Wie gehen Sie mit solchen Situationen um, die unbefriedigend sind? 

Sarah Glättli: Ich bin überzeugt, dass man niemandem hilft, wenn man Negatives zu fest an sich heranlässt, denn dann ist man nicht mehr voller Hoffnung und Freude, sondern frustriert und depressiv. Ich lege solche Situationen Gott hin und sage ihm: Ich verstehe es nicht, aber du verstehst es und weisst weiter. Im seelsorgerischen Bereich können wir Pfarrerinnen und Pfarrer auch auf den Rat des Dekans der Landeskirche zurückgreifen und uns in unserer Intervisionsgruppe austauschen. 

Worauf freuen Sie sich bei Ihrer neuen Tätigkeit? 

Sarah Glättli: Ich freue mich auf das Kennenlernen einer neuen Gemeinde und neuer Personen sowie auf das Team, mit dem ich gemeinsam Ideen und Projekte besprechen und entwickeln kann. Mein Schwerpunkt an der neuen Stelle sind Familien und Kinder. 

Was werden Sie an Erlen vermissen? 

Sarah Glättli: Sicherlich die vielen guten Kontakte, die ich hier knüpfen konnte, und die Vertrautheit mit den Kirchbürgern. Und dass ich so viele Menschen kennenlernen durfte und an viel Unterschiedlichem mitarbeiten durfte. Auch die schöne Umgebung und unsere heimelige, nicht allzu grosse Kirche werde ich sicher vermissen. 

Interview: Hannelore Bruderer 

Zur Person

Pfarrerin Sarah Glättli (36) ist mit zwei Geschwistern im Aargau aufgewachsen, wo ihre Eltern auch heute noch wohnen. Nach ihrem Theologie-Studium in Basel absolvierte sie ein Vikariat im Kanton Zürich und übernahm im November 2014 die Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchgemeinde Erlen. Nach einer kurzen Auszeit, die Sarah Glättli mit Reisen füllen will, wechselt sie in das Pfarrteam Pfäffikon ZH. (hab)