Freitag, 5. September 2025
Opfershofen. Drei Jahre Arbeit, Geduld und Herzblut: Aus einem verwilderten Grundstück hat Sabrina Rattmann in Opfershofen einen Naturgarten voller Leben geschaffen. Nun ist sie für den «Goldenen Schmetterling» der Mission B nominiert – eine Auszeichnung für besondere Biodiversität.
Das Gras unter den Füssen ist noch feucht vom Morgentau. Über dem Teich hängt ein feiner Nebelschleier, und irgendwo im Strauchwerk ruft ein Distelfink. «Schau, da fliegt gerade eine Holzbiene vorbei», sagt Sabrina Rattmann und zeigt auf einen schwarzblauen Schimmer, der zwischen Muskatellersalbei und Eisenkraut schwebt. Der Wind trägt den Duft der Nachtkerze und Bergminze herüber, während der grosse Wiesenknopf träge über die Flockenblumen gaukelt.
«Manchmal denke ich, ich wohne mitten in einer Naturdokumentation», sagt sie mit einem Lächeln. Dabei sah es hier vor sechs Jahren ganz anders aus: «Als wir das Haus kauften, war der Garten völlig verwildert – Bambus, Brombeeren, Quecke, Brennnesseln. Eigentlich wollte ich einen mediterranen Garten anlegen mit Palmen, Olivenbäumen und einem zweistöckigen Teich.»
Eine Idee wird geboren
Doch schon bei den ersten Arbeiten am Grundstück wurde ihr Traum von der Toskana von etwas anderem verdrängt: von Begegnungen mit Eidechsen, seltenen Käfern und Insekten, die sie zuvor noch nie gesehen hatte. «Das hat mich so neugierig gemacht, dass ich begann, mich mit ihren Lebensräumen zu beschäftigen.» Nach und nach entstand ein völlig neues Konzept – ein sogenannter Hortus: unterschiedlich strukturierte Bereiche, in denen Pflanzen und Tiere gleichermassen ihren Platz finden.
Heute gibt es eine sonnige Pufferzone mit Sanddorn, Kornelkirsche und Aronia, ein Magerbeet an der Strasse mit Disteln und Kugellauch, ein Schattenbeet mit Glockenblumen und Lungenkraut. Der vorhandene Teich wurde wiederbelebt, nun blühen darin Seerosen und Blutweiderich, während verschiedene Libellenarten darüber patrouillieren. «Es ist unglaublich, wie schnell sich die Tiere hier wieder angesiedelt haben.»
Zwischen den Stauden wippen hellgelbe Königskerzen im Wind, ein Schwalbenschwanz setzt sich auf die Wilde Möhre, während sein flatternder Schatten kurz die Blüte verdunkelt. Am Rand des Sandbeets krabbelt ein kleiner Marienkäfer zielstrebig den Stängel einer Wilden Karde hoch. «Hören Sie das?», fragt Rattmann – ein feines, trockenes Rascheln im Totholzzaun. «Heimische Hornissen schaben mit ihren starken Mundwerkzeugen winzige Holzspäne ab, die sie als Baumaterial nutzen.» Ein zartes Summen von Wildbienen liegt wie ein Hintergrundteppich über dem gesamten Garten. Ein paar Schritte weiter hüpft ein Frosch leise in den Teich. Der Duft von Ysop weht aus der östlichen Pufferzone herüber, vermischt mit dem würzigen Aroma des Lavendels. «Ich liebe diese Mischung – es riecht nie gleich, jeden Tag kommt ein neuer Ton dazu.»
Spielplatz und Wildnis
Der Garten ist nicht nur ein Paradies für Insekten und Vögel, sondern auch ein Ort für die Familie. «Mein Sohn hat hier Platz zum Spielen, wir haben eine Hängematte, ein Tipi aus Haselnusszweigen und einen Blumenrasen, der nicht zu wild ist.» Neben den fest eingeplanten Pflanzbereichen finden sich überall kleine Rückzugsorte: Steinhaufen für Eidechsen, Lehmwände für Wildbienen, Totholz mit Bohrlöchern für Käferlarven. «Letzten Sommer setzte sich ein kleiner Fuchs, das ist eine Schmetterlingsart, einfach auf meine Hand und blieb dort sitzen – so etwas vergisst man nicht.»
Pflege mit sanfter Hand
Viele glauben, ein Naturgarten brauche keine Pflege. «Das stimmt so nicht», betont Rattmann. Zwei Mal im Jahr werden Pflanzenbestände ausgedünnt, einzelne Arten für eine zweite Blüte zurückgeschnitten und freie Flächen für Wildbienen geschaffen. Das Magerbeet muss nährstoffarm bleiben, Quecke wird regelmässig entfernt. «Ich habe gelernt, dass die Natur keinen nackten Boden mag – sie will jede freie Stelle bedecken.» Inzwischen vermehrt sie viele Pflanzen selbst – durch Teilung, Steckhölzer oder Samen. «Das spart Geld und macht riesig Freude, wenn es gelingt.»
Nomination mit Gänsehaut
Von ihrer Nomination erfuhr sie durch Zufall – und reagierte zunächst skeptisch. «Ich dachte, das sei Spam. Dann hatte ich nur einen Abend Zeit, um die Bewerbungsfragen zu beantworten.» Die Nachricht, dass ihr Garten tatsächlich im Rennen ist, hat sie tief berührt. «Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich hätte nie erwartet, dass meine Arbeit auf diese Weise gewürdigt wird.» Ob sie gewinnt oder nicht, ist für sie zweitrangig. «Der wahre Preis ist das Leben, das hier eingezogen ist – mit uns, für uns und für all die geflügelten, krabbelnden und schwimmenden Nachbarn, die unseren Garten genauso ihr Zuhause nennen wie wir.»
Fuchsbau – Mission B – Goldener Schmetterling
Benjamin Schmid