Freitag, 3. Oktober 2025

Happerswil. Zwischen Vollzeitjob und Bauernhof haben Andrea Karin Füchter und ihr Partner Marc Stucki ihren ganz eigenen Weg gefunden. Gemeinsam bewirtschaften sie den Füchter-Hof in Happerswil mit einer Herde Schottischer Hochlandrinder. Mit viel Herzblut, guter Organisa­tion und Überzeugung, dass Tiere ein artgerechtes Leben verdienen, führen sie ihren Betrieb als Nebenerwerb.

Friedlich weiden die Rinder an diesem Spätsommerabend auf der grossen Wiese. «Chom, Gundula, chom», ruft Marc Stucki einem Tier zu. Gemächlich setzt sich das Rind mit den auffälligen Hörnern und dem zottigen Fell in Bewegung und trottet auf ihn zu. «Gundula ist eine Handaufzucht», erklärt Andrea Karin Füchter. «Ihre Mutter hat sie als Kalb nicht angenommen. Also haben wir sie mit der Flasche grossgezogen.» Andrea Karin Füchter bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Partner Marc Stucki den Füchter-Hof in Happerswil. Das Herzstück ihres Betriebs sind die Schottischen Hochlandrinder.

Nach Feierabend machen die beiden gerne einen Spaziergang zu ihren Tieren, die von Frühling bis Spätherbst auf einer Weide grasen. Für sie ist ihr Hof ein Nebenerwerb. «Fast schon ein Hobby, das uns Spass macht», sagt Füchter und lacht. Die 46-Jährige arbeitet Vollzeit als Kalkulatorin in einem Metallbaubüro, während Stucki ebenfalls Vollzeit als Maschinenmechaniker auswärts tätig ist. Füchter erzählt, dass sie sich in der Männerdomäne schon immer wohlgefühlt hat. Sie ist ganz offensichtlich eine Frau, die zupacken kann. Aus der Seitentasche ihrer Hose ragt ein Schraubenschlüssel; griffbereit, um die Verschlüsse an den Tränkebecken der Rinder zu öffnen. Ein Werkzeug, das auch sinnbildlich für ihren beruflichen Weg steht. Denn 1999 schloss Füchter als erste Frau in der Schweiz die Ausbildung zur Stahl- und Metallbauschlosserin ab. Vor neun Jahren übernahm sie dann den elterlichen Bauernhof und führt diesen seitdem mit viel Engagement. Dazu hatte sie am Landwirtschaftlichen Zentrum in Flawil eine Weiterbildung im Bereich Direktzahlungen abgeschlossen.

In Hochlandrinder verliebt

Ihr Grossvater, Georg Füchter, war Landwirt im aargauischen Kaiseraugst. Zufällig sei er auf den Landwirtschaftsbetrieb in Happerswil gestossen, den er im Jahr 1962 erwerben konnte. «Vier Jahre später führten meine Eltern, Bernhard und Friedy Füchter, den Hof von ihm weiter und bewirtschafteten ihn als Milchviehbetrieb mit Kälbermast sowie Futter- und Ackerbau», sagt sie. 2004 übernahm einer ihrer Brüder den Betrieb, verkaufte später den gesamten Viehbestand und stellte vollständig auf Ackerbau um. Seit 2016 gehört der Hof Füchter und wird dabei von ihrem Partner Stucki unterstützt. Niemand hätte ihr zugetraut, dass sie in der Lage sei, diesen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, sagt die gelernte Stahl- und Metallbauschlosserin. Doch genau diese Herausforderung war für sie Ansporn. Letztlich habe sie früher auch im Aussendienst für Schweissanlagen gearbeitet; auch das etwas, womit kaum jemand bei ihr gerechnet hätte. Während eines Aufenthalts in Schottland stiess sie auf Hochlandrinder und verliebte sich sofort in diese ruhigen, eindrucksvollen Tiere. Sie informierte sich eingehend über deren Haltung und Bedürfnisse. Das Melken kam für beide neben ihrer Arbeit ausserhalb des Betriebs nicht infrage. «Hochlandrinder eignen sich hervorragend für die Mutterkuhhaltung. Sie gelten als robust, widerstandsfähig und anspruchslos.» So fanden die ersten zwei Tiere dieser Rasse 2018 den Weg auf ihren Hof. Inzwischen ist die Herde auf 26 Tiere mit Aufzucht angewachsen. Ihre Hochlandrinder werden ausschliesslich mit Gras, Heu und Grassilage gefüttert, die grösstenteils auf dem eigenen Betrieb produziert werden. Auf leistungsfördernde Mittel und Kraftfutter wird komplett verzichtet. Einmal im Jahr wird ein Zuchtstier für drei bis vier Monate auf den Hof geholt, der diese Zeit mit den Mutterkühen auf der Weide verbringt. Die Rinder werden in einer separaten Gruppe gehalten. Den Winter verbringt die Herde in zwei Offenställen mit Auslauf, die 2021 neu gebaut wurden. Nach etwa drei Jahren sind die Tiere schlachtreif. «Kälber werden nicht geschlachtet, da sie zu wenig Fleisch am Körper haben», erklärt Stucki. Mit etwa 250 Kilogramm sei der Schlachtkörper dieser Rinderrasse im Vergleich zu anderen relativ klein.

Schlachtung auf dem Hof

Das erste Rind wurde auf herkömmliche Weise geschlachtet und musste mit dem Transporter zum Schlachthof gebracht werden. Zur Beruhigung des Tieres wurde ein zweites als Begleitung mitgenommen. «Nach der Schlachtung kam ich völlig aufgewühlt nach Hause», sagt Füchter. Für Mensch und Tier sei der Ablauf ein enormer Stress gewesen. Für sie stand fest: «So etwas werde ich kein zweites Mal machen.» Anschliessend beschäftigte sie sich mit der Hoftötung und holte die dafür notwendige Bewilligung ein; dies mit tatkräftiger Unterstützung von Geschäftsführer und Fleischfachmann Damian Signer, Waidwerker GmbH, Appenzell. «Wir waren die ersten im Kanton Thurgau, die diese Methode umsetzten. Inzwischen sind es sechs oder sieben Betriebe», sagt Füchter. In enger Zusammenarbeit mit der Metzgerei Erwin Olbrecht, Siegershausen, und der Waidwerker GmbH werden vier bis sechs Schlachtungen pro Jahr auf ihrem Betrieb durchgeführt. «Es ist jedes Mal ein emotionaler Moment, der mir schwerfällt», sagt sie. «Aber es gehört einfach dazu», ergänzt Stucki. «Wir essen das Fleisch aus Überzeugung und sind uns sicher, dass die Tiere ein gutes Leben hatten und vor der Schlachtung nicht leiden mussten.» Die Hoftötung erfolge zum Wohl der Tiere und nicht primär wegen der Fleischqualität. Dennoch sei dies ein angenehmer Nebeneffekt. «Das Fleisch von Tieren, welche direkt auf dem Hof geschlachtet werden, ist zarter, da diese Methode den Stress für die Tiere reduziert und sie weniger Stresshormone ausschütten, welche die Qualität beeinträchtigen können», erklärt Stucki.

Nicht nur Fleischliebhaber, sondern auch Flexitarier schätzen diese Qualität. Das Fleisch der Hochlandrinder vermarkten die beiden direkt in ihrem Hofladen, für den sie vor zwei Jahren das alte Milchhaus umbauten. Die Wertschätzung gegenüber dem geschlachteten Tier zeigt sich auch darin, dass selbst Kopf und Fell verwertet werden. Präparierte Schädel und gegerbtes Fell können direkt bei ihnen bezogen werden.

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche umfasst rund 14 Hektaren. Neben Kunstwiesen gehören unter anderem auch extensiv genutzte Wiesen dazu; also Grünflächen, auf denen mit geringem Aufwand und besonderer Rücksicht auf die Natur ihre Schottischen Hochlandrinder gehalten werden. Ergänzt wird der Betrieb durch Ackerland, Wald und rund
60 Hochstamm-Feldobstbäume. Auf den Ackerflächen werden Triticale (Tierfutter), eine Kreuzung von Weizen und Roggen, Winterweizen (zur Brotherstellung) und Sonnenblumen (für Speiseöl) angebaut.

Auf die Frage, wie ein Landwirtschaftsbetrieb mit einem Vollzeitjob funktionieren kann, antwortet Füchter: «Eine gute Organisation ist das A und O. Ausserdem muss man Prioritäten setzen. An erster Stelle stehen bei uns immer die Tiere. Manchmal bleibt deshalb etwas liegen. Wir sind auch dankbar, dass wir flexible Arbeitgeber haben.» Landwirtschaft bedeutet für die beiden Freiheit. Obwohl ihre Arbeitstage lang sind und vor allem das Wochenende für Arbeiten auf dem Betrieb genutzt wird, bereuen sie den eingeschlagenen Weg nicht. Stucki sagt: «Früher hätte ich mir nicht vorstellen können, auf einem Landwirtschaftsbetrieb zu arbeiten. Ich hatte keinen Bezug zu Tieren. Mittlerweile bereitet mir die Arbeit grosse Freude. Die Tiere geben uns viel zurück.» In Zukunft möchten sie so weitermachen wie bisher und kein Wachstum anstreben. «So stimmt es für uns», sind sie sich einig.

Yvonne Aldrovandi-Schläpfer