Freitag, 16. Februar 2024

Sulgen. Am letzten Freitag war die Bestsellerautorin Blanca Imboden zu Gast in Sulgen. Zur «Lesung mit Plauderei» eingeladen hatte der Gemeinnützige Frauenverein. Rund fünfzig Personen nahmen am Anlass teil. 

Blanca Imboden ist eine begnadete Erzählerin, egal ob sie sich schriftlich ausdrückt oder vor Publikum spricht. Bei ihrer Lesung in Sulgen verriet sie viel über ihre Person, brachte ihr Publikum mit Anekdoten aus ihrem bewegten Leben zum Lachen und las einige ihrer Kolumnen vor. Besonders bei jener, in der sie die Ereignisse auf der Heimreise im Zug von ihrer letzten Lesung in Sulgen schilderte, wurde ganz genau hingehorcht. Ihre Geografiekenntnisse seien schlecht, gab die Innerschweizerin zu, und so witzle sie manchmal über die Orte, die sie besuche und die, wie sie meine, doch ernsthaft niemand kenne, so wie Sulgen. «Das funktioniert ganz gut. Bei einer Lesung irritierte mich das schallende Gelächter des Publikums dann aber doch, bis mir jemand erklärte, dass wir uns in einem Nachbardorf von Sulgen befänden …» 

Recherchieren im Engadin

Rückt ein Ort sogar ins Zentrum eines Romans von Blanca Imboden, so erhält er viel Aufmerksamkeit. «Es erstaunt mich eigentlich selbst, aber ich habe viele echte ‹Follower›», so Imboden, «haben sie einen Roman von mir gelesen, suchen sie die Orte auf, in denen der Roman spielt, oder machen dort sogar Ferien.» Diesen Umstand haben nicht nur die Touristiker von Wengen erkannt, sondern auch jene von St. Moritz, dem Schauplatz von Blanca Imbodens neustem Roman «Die Löffelliste». Der mondäne Ferienort im Oberengadin rollte der Schriftstellerin und ihrem Lebenspartner Peter Bachmann sozusagen den roten Teppich aus und lud sie in ihre Nobelherbergen ein. Eine nicht alltägliche Erfahrung für das bodenständige Paar. «Da wird doch tatsächlich zum Frühstück Harfe gespielt und als ich mir vom Buffet ein Schälchen Birchermüesli holen wollte, nahm es mir ein Kellner aus den Händen, um es auf einem silbernen Tablett an meinen Platz zu tragen.» Solche und noch viel trivialere Begebenheiten sind Nahrung für die Autorin, die ihre Umwelt scharf beobachtet und süffisant in ihre Geschichten verpackt. «Die Löffelliste» ist der 21. Roman der Autorin. 2022 wurde ihr jährlicher Bücherausstoss erstmals seit 2011 unterbrochen. «Über Schreibblockaden habe ich immer gelacht und gemeint, dass sie eine Erfindung von Autorinnen und Autoren seien, um sich wichtig zu machen. Bis es mich selbst erwischt hat», blickt sie zurück. «Es war nicht so, dass mir die Ideen fehlten, nur sie aufzuschreiben, gelang mir plötzlich nicht mehr.» 

Zahlreiche Talente

«Die Löffelliste» ist im September 2023 erschienen und hält sich seither auf der Bestsellerliste, wie zuvor so viele andere ihrer Bücher. Ihr Erfolg als Schriftstellerin sei aber nicht über Nacht gekommen, sagt Blanca Imboden. «Meine ersten Werke wollte niemand lesen. Sogar meine Mutter riet mir, mich doch lieber auf meine Arbeit bei der Neuen Schwyzer Zeitung zu konzentrieren. Aber wer hört schon auf seine Mutter!» Bevor Blanca Imboden für die Zeitung arbeitete, war sie fünfzehn Jahre lang als Sängerin erfolgreich. Zwei Sommer lang war die heute 61-Jährige auch Teil des Fahrpersonals bei Seilbahn Morschach–Stoos. Seit September 2022 schreibt Blanca Imboden für die «Glückspost» eine eigene Serie mit dem Namen «Mini Gschicht». Auch privat läuft es für die Autorin ­wieder rund. Nach dem plötzlichen Tod ­ihres langjährigen Partners Hans Gotthardt fand Blanca Imboden mit Peter Bachmann ein neues Glück. Wie gut das Paar harmoniert, war an ihrem Auftritt in Sulgen offensichtlich. Peter Bachmann lockerte die Lesung mit seinem Spiel auf Quer-, Pan- und Sopraninoflöten nicht nur auf, sondern trug mit seinen schlagfertigen Anmerkungen zur Unterhaltung bei und unterstützte seine Partnerin beim anschliessenden Bücherverkauf. 

Hannelore Bruderer

Die Löffelliste

Die Pflegefachfrau Karin Kaufmann ist vom Leben enttäuscht und will sich vom Dach des Spitals stürzen. Dort trifft sie auf den todkranken Patienten Reto Rösti. Weil beide nichts mehr zu verlieren haben, denken sie im Oberengadin über Dinge nach,
die gestern noch komplett undenkbar schienen. Die Löffelliste, Blanca Imboden, Verlag Wörterseh, ISBN 978-3-03763-145-4. (hab)