Freitag, 31. Mai 2024

Bürglen. Der bekannte Berner Musiker Müslüm trat am Samstag im Bild-Rauschen-Studio in Bürglen auf. Die Vorstellung war ausverkauft und begeisterte das Publikum restlos.

Eines war von Beginn weg klar: Urschweizerische Pünktlichkeit gehört nicht zu Müslüms Eigenschaften. Eine halbe Stunde lang liess der Berner Musiker und Berufsmigrant das Publikum am Samstagabend warten, bevor er die Bühne im Bild-Rauschen-Studio in Bürglen betrat. Der Grund dafür blieb offen – vielleicht wollte er mit der Verspätung lediglich klarstellen, dass der Abend alles andere als helvetisch verlaufen würde. Ein weiteres Indiz dafür war, dass Müslüm beim Titel für sein aktuelles Bühnenprogramm «Helfetisch» kurzerhand einen Buchstaben ausgewechselt hat. 

«Natürkische» Art kommt an

Das Publikum in der ausverkauften Location war aber nicht nachtragend und begrüsste Müslüm, der eigentlich Semih Yavsaner heisst, mit einem tosenden Applaus. «Das irritiert mich – vor allem im Thurgau», sagte er und zog dabei seine markante Monobraue nach oben. Von Beginn weg gelang es dem Künstler, das Publikum mit seiner «natürkischen» Art in seinen Bann zu ziehen. Ein grosses Talent von Müslüm ist es auch, das Publikum immer wieder in das Programm zu integrieren, was das Gefühl entstehen liess, als lausche man einem Freund bei seinen Erzählungen. Und solche Geschichten hatte er zuhauf im Gepäck. Immer wieder zog er auch Parallelen zwischen Schweizern und Ausländern oder überspitzte gängige Klischees. Gitarrist Raphael Jakob verlieh dem Redeschwall, den Müslüm mit starkem Akzent von sich gab, zusätzlichen Hintergrund und Tiefe. Obwohl das Programm häufig zum Lachen anregte, spürte man, dass in Müslüm auch eine tiefgründige, poetische und kritische Ader steckt und er sich für Toleranz, Vielfalt und Liebe stark macht. «Gendern wird salonfähig, albanisch aber nicht», gab der begnadete Wortakrobat zu bedenken. Dass man in der Schweiz eigentlich nicht über Geld, Religion oder Politik spricht, interessierte Müslüm nicht. «Als ich das Brot nicht mehr schnitt, sondern brach, brach mir mein Vater im Gegenzug alle Knochen», sagte er. Als neue übergeordnete Macht sieht er das Smartphone. Viele Menschen würden vor dem Gerät den Kopf neigen und liessen sich von ihm den Weg durch die Dunkelheit weisen, sinnierte er. 

Profi auch bei Pannen

Apropos Dunkelheit – sogar technische Defekte brachten Müslüm nicht aus dem Konzept, er baute sie spontan ins Bühnenprogramm mit ein. Im Laufe des Abends zeigte sich, dass Müslüm über mehrere Talente verfügt. Seine gekonnten Tanz- und Gesangseinlagen sorgten ebenfalls für Begeisterung. So verwunderte es auch nicht, dass das Publikum nach fast zweistündiger Show noch nicht genug von Müslüm und seinem Bühnenpartner gehört hatte. Mit Jubelrufen und tosendem Applaus forderte es eine Zugabe. Abschliessend verriet er: «Bürglen hat gebürgt für den getürkten Türken.» 

Monika Wick