Freitag, 16. Februar 2018

Sulgen. Die Brüder Andreas und Edy Greuter sorgen dafür, dass die Geschichte der Sulger Textilindustrie nicht vergessen geht. Am Dienstag gewährten sie 30 Besuchern einen Einblick in ihre textile Welt. 

Die vielen Nadeln bewegen sich gleichzeitig und schlaufen die feinen Fäden ineinander, die von oben in einem dichten Schleier Millimeter um Millimeter in die Maschine gezogen werden. Unten wächst ein zartes Gewebe, während die Wirkmaschine die Besucherinnen und Besucher mit ihrem rhythmischen Rattern fast hypnotisch anzieht. Andreas Greuter, der Inhaber der Greuter Fashion AG, führt die Besucher durch sein «produzierendes Museum», wie er es nennt. Der Maschinenpark im Gebäude am Bahnhofplatz 2 bietet einen einmaligen Einblick in ein Handwerk, das die Schweiz praktisch verlassen hat. «Dass dieses Wissen verloren geht, ist bedauerlich», sagt Greuter.

Verschiedene Produkte 

Die Textilien, die auf den Wirkmaschinen in Sulgen gefertigt wurden, sind vielfältig: von dekorativen Blusen- und Vorhangstoffen über speziell steife Einlagegewebe für Hüte bis hin zu besonders widerstandsfähigen Textilien für den Einsatz unter extremen Bedinungen. Die Maschinen der Greuter Fashion AG werden nicht nur ab und zu für Demonstrationszwecke angeworfen, Andreas Greuter fertigt auch heute noch spezielle Textilien für seine Kunden an. So zum Beispiel ein netzartiges Gewebe, in das von Hand Wollfäden eingezogen werden und das so zu einem attraktiven Schal wird. Überrascht hätte ihn einmal auch ein Auftrag des Militärs, schmunzelt der 76-Jährige. «Angefragt wurden 30 000 Meter, dies zu einem Zeitpunkt, als ich eher an die Fertigung von einigen hundert Metern gewohnt war.» Die alten Wirk- und Spulmaschinen sind zuverlässig. Sie müssen bei längerem Gebrauch zwar gut geschmiert werden, Reparaturen gibt es jedoch selten. Und wenn, dann führt sie Andreas Greuter selber aus.

Die stattliche Liegenschaft beim Bahnhof ist 1912 von der Stickerfamilie Burkhart erbaut worden. 1933 hat sie Edwin Greuter erworben und dort eine Wirkstofffabrik gegründet. «Meine Eltern brauchten viel Mut, um sich in den Jahren der Weltwirtschaftskrise selbständig zu machen», sagt Andreas Greuter. «Die Anfangs- und nachher die Kriegsjahre waren hart. In der Nachkriegszeit stieg der Bedarf an Textilien aber stark an und es ging bergauf.» Das Textilhandwerk lernte Andreas Greuter von der Pike auf, arbeitete in verschiedenen Textilfirmen und arbeitete auch während zehn Jahren in den USA.

Verlagerung ins Ausland

Nach dem Tod ihrer Eltern teilten die fünf Söhne das Erbe auf. Andreas Greuter übernahm die Wirkwarenfabrik, die er als Greuter-Fashion AG führt, Edy Greuter gründete 1970 die Greuter-Jersey AG. In den Ausstellungsräumen der Greuter-Jersey AG genossen die Teilnehmer nach dem Rundgang einen Apéro. «Noch anfangs der 1990er Jahre waren wir voller Zuversicht, dass sich die Textilbranche in der Schweiz weiter entwicklen würde», erklärte Edy Greuter und zeigte den Besuchern einen Werbefilm aus dieser Zeit. «Das böse Erwachen kam aber bald. Die Konfektion verlagerte sich immer mehr ins Ausland, dazu kamen die höheren Zölle nach dem EWR-Nein, die unsere Produkte nicht mehr rentabel machten.»

Hannelore Bruderer