Freitag, 15. März 2019
Sulgen. Über zwei Dutzend Personen lauschten am Dienstag dem Vortrag von Hans-Ulrich Wepfer. Thema waren die Handelswege über das Wasser in früheren Jahrhunderten. Die Gruppe neu/Alt hatte den Anlass organisiert.
Bevor Hans-Ulrich Wepfer im evangelischen Kirchgemeindehaus in sein Referat mit dem Titel «Als Bodensee und Hochrhein Hauptverkehrsadern waren» einstieg, hielt er für die Anwesenden noch eine Überraschung bereit. Im Jahr 1896 ist in der Neuen Zürcher Zeitung ein Artikel über einen geplanten Schifffahrtsweg nach Sulgen erschienen. Die Pläne waren soweit fortgeschritten, dass das Bauvorhaben im Gebiet des Bahnhofs bereits mit roten Fähnchen ausgesteckt war. Geplant war ein Kanal, der den Mittelthurgau über 20 bis 25 Schleusen mit dem Wasserstrassennetz der Schweizer Hochebene und dem Bodensee verbinden sollte. In Sulgen war ferner ein Hafen von 300 Metern Länge, 40 Metern Breite und rund acht Metern Tiefe vorgesehen. Dieses Projekt wie auch andere, noch grössere Wasserwegprojekte aus dieser Zeit wurden, wie die Geschichte zeigt, nicht umgesetzt. Wie wichtig der Handel auf Flüssen und Seen für unsere Vorfahren jedoch war, verdeutlichte Hans-Ulrich Wepfer anhand von Bildern, Zeichnungen und Plänen aus früheren Zeiten, die er zur Freude der Nostalgiker im Publikum nicht als Power Point, sondern als Dia-Show präsentierte.
Gefährliche Arbeit
Bis in die zweite Häfte des 19. Jahrhunderts ergossen sich Flüsse ungebändigt Richtung Meer. Das Flussbett wechselte öfters seinen Verlauf, bildete neue Arme und Inseln. Den richtigen Wasserweg zu finden, war für Flösser und Schiffsführer eine grosse Herausforderung und nicht ganz ungefährlich. Zumal dieser Berufsstand auch den Ruf hatte, dem Alkohol allzu sehr zugeneigt zu sein, wie der Geschichtslehrer aus Kreuzlingen erklärte. Trotz der Gefahren war der Handel auf dem Wasser lukrativ, denn Strassen bestanden damals oft nicht aus mehr als zwei ausgefahrenen Wagenspuren, die entweder holprig oder bei Regen bodenlos matschig waren.
Holz, Salz und Korn
Holz war eines der Hauptgüter, das transportiert wurde, verbaut zu Flossen und Booten war es aber auch Transportmittel. Nach der Fahrt über Hochrhein und See am Ziel angekommen, wurden die Flosse und Boote ausgeschlachtet und als Baumaterial oder Brennholz weiterverwertet. Das kostbarste Handelsgut war jedoch Salz. Es musste zu einem grossen Teil importiert werden. Salz aus Oberbayern wurde in Lindau oder Buchhorn Richtung Schweiz verschifft, Salz aus Österreich in Bregenz. Das meistgehandelte Gut war Getreide, das vorwiegend aus Süddeutschland stammte. Ein Grossteil dieses Getreides wurde im Hafen von Überlingen von den Karren auf Lastschiffe, sogenannte Lädinen, verfrachtet. Der Hauptimporthafen war Rorschach, wo das prächtige Kornhaus noch heute als stummer Zeitzeuge steht. Lädinen, die den Bodensee befuhren, waren bis 33 Meter lang und hatten bis zu 28 Meter hohe Segelmasten. Diese grossen Lastkäne legten, bedingt durch den schwankenden Seespiegel und noch nicht ausgebaute Hafenanlagen, im See an sogenannten Stelli an, wo die Fracht für den Weitertransport an Land auf kleinere Boote umgeladen wurde. Je nach Inhalt schleppten die Arbeiter schwere Säcke, Fässer oder Ballen.
Zölle entrichten
Vom Handel profitierten auch die Orte entlang der Wasserwege. In jedem Hafen, aber auch bei Brücken, Furten und Pässen standen Zollhäuser, die für die Durchreise ihren Anteil am Geschäft forderten. Viele Häuser-, Plätze- und Strassenbezeichnungen in den Orten am See und an den Flüssen zeugen heute noch von diesen regen Handelszeiten. Mit einem Dia, das ein Gemälde mit einem unscheinbaren Gebäude am Wasser zeigt, schloss Hans-Ulrich Wepfer seinen Vortrag. Das Gebäude ist das ehemalige Schifffahrtshaus von Basel. Denn der heute grösste Handelshafen der Schweiz war bis zum 19. Jahrhundert nur ein unbedeutender Nebenschauplatz.
Hannelore Bruderer