Freitag, 28. März 2025

Schönenberg. Im Seniorenzentrum Weitenau feiert Ursula Podolak ein seltenes Arbeitsjubiläum. Seit 40 Jahren bereitet sie in der Küche des Heims die Mahlzeiten für die Bewohnerinnen und Bewohner zu.

Als Ursula Podolak am 1. April 1985 ihren Dienst im neu errichteten «Altersheim im Park» antreten will, erlebt die 22-Jährige eine Überraschung. Die Küche, ihr künftiger Arbeitsplatz, ist noch gar nicht eingerichtet. Und das war beileibe kein April-Scherz. «Ich fühlte mich ein bisschen überrumpelt, half dann in Rücksprache mit meinem früheren Chef in Oberkulm aber mit, die Küche mit den erforder­lichen Geräten und Installationen aus­zustatten. Nach einer Woche zogen die ersten Heimbewohnerinnen und Heimbewohner ein», erinnert sich Ursula Podolak. Auf die Stelle in Schönenberg war sie durch ein Zeitungsinserat aufmerksam geworden. «Ich suchte eine neue Herausforderung und wollte anderswo Erfahrungen sammeln», begründet sie den Wechsel in den Thurgau.

Kreativität wichtig

Nachdem sich ihr Wunsch, Schneiderin zu werden, nicht hatte verwirklichen lassen, absolvierte Ursula Podolak im Aargau eine Kochlehre. Nicht zufällig, sondern mit Bedacht: «Mir ist es wichtig, dass ich bei der Arbeit kreativ sein kann, und das ist in der Küche möglich.» In den vier Jahrzehnten ihres Wirkens in Schönenberg hat Ursula Podolak viele Veränderungen erlebt. Immer wieder musste sie sich auf neue Gegebenheiten einstellen. Die baulichen Erweiterungen waren dabei nur ein Aspekt einer breiten Palette. Als Ursula Podolak in Schönenberg anfing, gab es zum Beispiel beim Mittagsmenü noch keine Auswahl. «Da wurde gegessen, was auf den Tisch kam», erzählt Ursula Podolak mit einem Schmunzeln. Heute könnten die Bewohnerinnen und Bewohner täglich unter zwei Mahlzeiten aussuchen und auch fleischlose Menüs würden angeboten. Die Leute seien auch in dieser Hinsicht anspruchsvoller geworden. «Ich selbst esse am liebsten Schnitzel und Pommes frites», verrät die Köchin.

Neben ihrer Tätigkeit in der Küche versieht Ursula Podolak im Seniorenzentrum Weitenau, wie die Einrichtung mittlerweile heisst, seit einigen Jahren auch Reinigungsarbeiten. Sie empfindet das als willkommene Abwechslung und als Ausgleich zum bisweilen hektischen Betrieb in der Küche. Jeden Dienstag macht Ursula Podolak in sieben bis acht der insgesamt 44 Einzel- und Ehepaarzimmer sauber. Ein ganzer Arbeitstag ist damit ausgefüllt.

Für ihre Tätigkeit bekommt Ursula Podolak von den Bewohnerinnen und Bewohnern bisweilen auch Lob und Anerkennung. «Einerseits freut mich das als Mensch. Andererseits möchte ich aber auch wissen, ob die Leute zufrieden sind», sagt Ursula Podolak. Mit Kritik habe sie kein Problem, diese müsse man annehmen und angemessen darauf reagieren. In den meisten Fällen handle es sich ohnehin nicht um Beschwerden im engeren Sinn, sondern eher um Anregungen. Ursula Podolak nennt ein Beispiel: «Eine Bewohnerin fragte einmal, ob man nicht von den dünnen Nudeln zu breiteren wechseln könnte.»

Die Arbeitsstelle bringt es mit sich, dass Ursula Podolak tagtäglich mit der Endlichkeit des menschlichen Lebens konfrontiert wird. Früher, als sie noch jung war, habe sie besser damit umgehen können. Heute mache sie sich hin und wieder schon Gedanken über das eigene Älterwerden, als Belastung empfinde sie ihr Arbeitsumfeld jedoch nicht. Ursula Podolak verhehlt aber nicht, dass sie froh ist, im Seniorenzentrum noch auf keine verstorbene Person getroffen zu sein. «Ich frage mich manchmal, wie ich in einer solchen Situation wohl reagieren würde.» Sie trenne Berufliches und Privates strikt und pflege auch keine engen persönlichen Kontakte mit Bewohnern. «Wir sprechen uns auch nicht mit Du an, es sei denn, wir kennen uns bereits aus der Zeit vor dem Eintritt ins Heim.»

Christliche Ausrichtung

Ursula Podolak ist gläubige Christin und fühlt sich auch aus diesem Grund im Seniorenzentrum Weitenau wohl. Dessen christliche Ausrichtung behagt ihr. Vor dem Mittagessen werde gebetet und die Umgangsformen seien betont höflich, beschreibt sie die Atmosphäre. Einen konkreten Einfluss auf die Arbeit habe ihr Glaube jedoch nicht. War ein Stellenwechsel nie ein Thema? «Doch, und zwar dann, wenn mir eine Veränderung Mühe oder Sorgen bereitete», räumt die 61-Jährige ein. Zum Glück sei es ihr stets gelungen, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen und für sich eine zufriedenstellende Lösung zu finden.

In drei Jahren und acht Monaten wird Ursula Podolak das Pensionsalter erreichen. Dieser Lebensabschnitt beschäftigt sie bereits jetzt. Sie wolle so lange als möglich selbstständig wohnen oder sich einer Wohngemeingemeinschaft mit Kolleginnen und Kollegen anschliessen, erklärt Ursula Podolak und macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube: «Ein Leben im Heim kommt für mich nur infrage, wenn es nicht anders geht.» Bei einem Heimeintritt müsse man viel Vertrautes, etwa einen Grossteil der eigenen Möbel, aufgeben und sich mit einem einzigen Zimmer begnügen, gibt sie zu bedenken. Gleichwohl sieht sie auch Vorteile darin, den Lebensabend in einem Heim zu verbringen. Man habe Kontakt mit Gleichaltrigen, beuge so der Einsamkeit vor und müsse die Herausforderungen des Alltags nicht allein meistern. Als Rentnerin möchte Ursula Podolak nicht nur Hobbys wie Radfahren, Schwimmen und Kochen pflegen, sondern sich auch mit Freiwilligenarbeit für die Gesellschaft engagieren.

Jubiläumsfeier im Juni: Das Seniorenzentrum Weitenau in Schönenberg wurde am 1. April 1985 eröffnet und kann somit heuer das 40-Jahr-Jubiläum feiern. Aus diesem Grund finden am Samstag, 14. Juni, der offizielle Festakt und ein Tag der offenen Tür für die Öffentlichkeit statt. Am Sonntag, 15. Juni, wird ein Festgottesdienst abgehalten.

Georg Stelzner