Freitag, 8. März 2019

Donzhausen. Die ausserordentliche Vereinsversammlung beschloss, den Samariterverein Sulgen und Umgebung auf Ende Monat aufzulösen. Gestiegene Anforderungen, Nachwuchsmangel und zu wenig ausgebildete Aktivmitglieder führten zu diesem unpopulären Schritt.

Im Logo des Samaritervereins Sulgen und Umgebung steht: «Wir verbinden seit über 100 Jahren». Im 105. Jahr seines Bestehens erlitt der Samariterverein selbst den Kollaps. Seit Jahren diskutierten die Vereinsmitglieder den fehlenden Nachwuchs und suchten Lösungen, dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken. Mehrere Neueintritte in den vergangenen Jahren nährten die Hoffnung, die Sanitätsdienst-Anlässe besser abdecken zu können; dies scheiterte aber an gestiegenen Zertifizierungsanforderungen oder der Bereitschaft zur Präsenz. Nur noch zwölf ­Aktivmitglieder erfüllten die Vorgaben, wodurch sich auch deren zeitliche Belastung, vor allem an den Wochenenden, zugespitzt hat. Verschärfend kam hinzu, dass immer häufiger Samariterdienste für Veranstaltungen anfragt wurden, oft kurzfristig. Vertragsvorgaben sorgten zusätzlich für administrative Belastung im Vorstand. Schon mehrmals befasste sich der Sulger Verein mit Fusionsgedanken, konnte diese jedoch nicht realisieren. Eine Zukunft im Alleingang hielt nicht nur die Vorstandsmehrheit für aussichtslos, auch die Mehrheit der Mitglieder sah im Ist-Zustand keine Perspektive mehr, wie eine Konsultativabstimmung im Dezember zeigte. Am 1. März war die Auflösungsversammlung.

Kontroverse Diskussion

«Es darf nicht sein, dass der Samariterverein Sulgen und Umgebung von der Landkarte verschwindet. Über 100 Jahre durften Kurse und Vereinsübungen stattfinden. Das soll weiter so bleiben!», ­appellierte Vorstandsmitglied Werner Knaus und sorgte noch einmal für eine kontroverse Diskussion. Der Kassier sah keinen triftigen Auflösungsgrund, da alle Referenten und Daten für das Kurswesen und die Vereinsübungen im Jahr 2019 reserviert seien und das fehlende Personal für die Sicherstellung der Sanitätsdienste mit Unterstützung des Kantonalverbandes aus anderen Vereinen ­ergänzt werden könne. Die meisten Votanten sahen im Gegenantrag nur ein Festhalten an formalen Strukturen und ein Hinauszögern, aber keine Lösung. «Die Auflösung ist unbestritten ein Verlust für die Region. Doch wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab», so der Tenor. Materiell sei die Erfüllung humanitärer Aufgaben im Sinne des Rotkreuzgedankens nicht gefährdet, nur die Organisation sei anders. Kurse könnten auch bei umliegenden Samaritervereinen besucht werden. Die Hürde für den Auflösungsbeschluss war mit der erforderlichen vier Fünftel-Mehrheit hoch. Wohl niemandem fiel es leicht, den Tatsachen ins zu Auge sehen und für die Auflösung per 31. März 2019 zu stimmen. Die Versammlung tat es in geheimer Abstimmung dennoch mit 13 zu zwei Stimmen. Trotz dem klaren Resultat gab es keinen Applaus. 

Help-Gruppen fördern

Der restliche Ablauf ging schlank über die Bühne, die folgenden Entscheide wurden einstimmig gefasst. Der bisherige Vorstand wird im Jahr 2019 die Liquidation mit allen noch fälligen Verbindlichkeiten abwickeln. Der örtliche Feuerwehrzweckverband und weitere Interessenten haben Interesse am Material angemeldet. Da fehlender Nachwuchs einer der Auflösungsgründe war, bestimmte die Versammlung, den Samariter-Nachwuchs im Thurgau zu begünstigen. An jede der 14 im Thurgau bestehenden Help-Gruppe sowie an die zwei in der Gründungsphase stehenden Help-gruppen Altnau und Münchwilen gehen 1000 Franken. Dies in der Hoffnung, dass die dort ausgebildeten Jung­samariterinnen und -samariter später in den Samaritervereinen aktiv sind. Um einer möglichen Neugründung eines Samaritervereins in der Region Sulgen–Kradolf-Schönenberg Starthilfe zu bieten, kommt der Rest für fünf Jahre auf ein Sperrkonto, das der Kantonalverband ab 2020 verwalten wird. Sollte es in dieser Zeit zu keiner Neugründung kommen, wird das Geld zu je gleichen Teilen unter den dann aktuellen Help-Gruppen im Thurgau und dem Kantonalverband aufgeteilt. 

Blutspende bleibt erhalten

Um die Blutspende-Aktionen in Sulgen und Kradolf bis Ende 2020 wie gewohnt sicherzustellen, verpflichteten sich mehrere Mitglieder des aufgelösten Vereins solange zur freiwilligen Mithilfe. Nach Auswertung der Konsultativabstimmung vom Dezember, hat der Vorstand bereits Anfang Januar bei den Koordinationssitzungen der Vereine bekanntgegeben, dass sich eine mögliche Auflösung abzeichnet.

(pd)

Kein Engpass bei Veranstaltungen

Auch mit der Auflösung des Samaritervereins sind öffentliche Veranstaltungen anderer Organisationen aufgrund der verlangten Sicherheitskonzepte nicht gefährdet. Die Veranstalter können sich an den Kantonalverband wenden, der sich um Rekrutierung von Freiwilligen aus anderen Samaritervereinen bemüht. Durch die organisatorische Änderung muss aber eine längere Vorlaufzeit in Kauf genommen werden. Der bisherige Vorstand wird die Veranstalter ausführlich über das weitere Vorgehen informieren und wird dazu in Kontakt mit den beiden politischen Gemeinden Sulgen und Kradolf-Schönenberg treten. (pd)