Freitag, 26. September 2025
Sulgen. Nadja und Thomas Bär eröffnen am Samstag, 4. Oktober, bis 16 Uhr, an der Bahnhofstrasse 13 die Boutique «Zeitlos». Nach Jahren im Onlinehandel wagen sie den Schritt ins stationäre Geschäft. Dahinter steckt eine persönliche Geschichte von Erschöpfung, Neuanfang und der Suche nach mehr Kundennähe.
Manchmal entstehen neue Wege aus einer Krise. Bei Thomas Bär war es die Gefahr, in seinem alten Beruf auszubrennen. «Es musste sich etwas ändern», erinnert er sich. Seine Frau Nadja bestärkte ihn darin, kürzerzutreten und Neues zu wagen. Gemeinsam entschieden sie sich, die Sicherheit einer Festanstellung hinter sich zu lassen und in die Selbstständigkeit zu gehen. 2014 gründeten sie den Onlineshop naturfaser.ch, spezialisiert auf nachhaltige Mode aus Hanf, Bio-Baumwolle oder Leinen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, wie Thomas Bär sagt: «Wir sprangen und versuchten zu schwimmen.» Einfach sei das nicht gewesen, standen die beiden doch mehrfach kurz davor, aufzugeben. Aber sie hielten durch und fanden mit Marken wie «HempAge» und «LivingCrafts» ein Sortiment, das zu ihren Werten passte.
Elf Jahre später folgt nun der nächste Schritt: Am Samstag, 4. Oktober, eröffnen Nadja und Thomas Bär ihre Boutique «Zeitlos» an der Bahnhofstrasse 13 in Sulgen. Damit treten sie aus der Anonymität des Onlinehandels heraus und schaffen einen Ort für Begegnungen. «Viele Kundinnen und Kunden wollten immer wieder die Kleider anfassen und anprobieren. Also brauchte es einen Raum, wo genau das möglich ist», erklärt Nadja Bär. Die Boutique soll mehr sein als ein Geschäft. Gäste sollen stöbern, ohne Druck einkaufen und sich beraten lassen können. «Wir nehmen uns Zeit für unsere Kunden und freuen uns auf spannende Begegnungen», sagt Nadja Bär.
Chancen und Hürden
Die Grundidee bleibt: ehrliche, nachhaltige Kleidung. Fast alle Produkte sind GOTS-zertifiziert, die Lieferketten nach Angaben der Betreiber transparent. Hanf, Bio-Baumwolle, Leinen und Lenzing™-Fasern bilden die Basis. Nadja und Thomas kennen viele ihrer Lieferanten persönlich, achten auf nachhaltigen Anbau und faire Löhne. Doch sie verschweigen nicht, dass dieser Anspruch auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Nachhaltige Mode hat ihren Preis, sowohl im Einkauf als auch im Verkauf. Lieferketten müssen genau überprüft werden, Qualität kostet. «Natürlich ist es einfacher, billige Massenware einzukaufen», sagt Thomas Bär. «Aber das widerspricht unseren Grundsätzen.» Ob genügend Kundschaft bereit ist, für langlebige und ökologisch hergestellte Kleidung mehr zu bezahlen, bleibt offen. In den Städten ist faire Mode inzwischen im Trend, auf dem Land ist die Nachfrage schwerer einzuschätzen.
Nähe und Beratung
Mit der Boutique wollen die Bärs vor allem eines: mehr Nähe zu ihren Kunden. Beratung, persönlicher Kontakt und das Ausprobieren der Kleidungsstücke sollen den Unterschied zum Onlinehandel machen. «Shop and surf» lautet das Motto: Was es im Laden nicht gibt, findet man online – und umgekehrt. Das Sortiment reicht von Basics wie Leggings oder Hoodies bis zu Business-Kleidung, ergänzt durch Schals, Socken oder Alltagsprodukte wie Kokos-Schwämme.
Vieles wird saisonal angepasst. An der Eröffnung gibts eine Modeschau, Verpflegung und Gewinnspiele. Ganz allein hätten die Bärs den Schritt kaum geschafft. Freunde wie Lisa und Curdin Häberli haben sie in den letzten Jahren begleitet. «Ohne sie hätten wir die Boutique nicht eröffnet», betont Nadja. Die Vision der beiden reicht über den Laden hinaus: Langfristig möchten sie eigene nachhaltige Kleidung herstellen. Vorerst jedoch liegt der Fokus auf Sulgen – und darauf, dass die Boutique «Zeitlos» zu einem Ort wird, an dem sich Menschen wohlfühlen, Zeit vergessen und nachhaltige Mode neu entdecken. Ob das Konzept aufgeht, wird sich zeigen. Aber Nadja und Thomas Bär haben schon einmal bewiesen, dass sie Krisen in Chancen verwandeln können.
Benjamin Schmid