Freitag, 31. Oktober 2025
Heldswil. Die Keramikkünstlerin Margrit Keller aus Sulgen arbeitet seit über 40 Jahren mit Ton, Glasuren und Feuer. Ihre Werke entstehen intuitiv und tragen Spuren von Reisen, Natur und innerer Ruhe. An der Kulturwoche in der Kapelle Heldswil zeigt sie figürliche Arbeiten und Alltagsobjekte voller Seele.
Ich trete durch die Tür in die Werkstatt an der Kirchstrasse 30 in Sulgen. Der Raum ist dicht gefüllt, aber nichts wirkt chaotisch. Eher wie ein organisch gewachsenes Archiv aus Formen und Farben. Auf einem Holzregal stehen Schalen mit matter Glasur neben glänzenden Vasen. Hier ruhen fein säuberlich drapierte Hirtenfiguren, Schafe und Engel, da recken verwunschene Vögel ihren Kopf in die Höhe. In einer Ecke stapelt sich eine Kiste mit Flusssand, Holzasche und Glasurproben in unzähligen Nuancen. Der Elektroofen brummt leise in der Ecke, seine Hitze füllt den Raum wie ein unsichtbarer Mantel. Es riecht nach Ton – leicht erdig, warm, vertraut. Auf dem Arbeitstisch liegen feuchte Stücke Steinzeugton, daneben stehen Pinsel, Messer, Holzstücke, Schwämme. Die Spuren der Hände sind überall sichtbar. Hier scheint nichts steril oder distanziert, alles ist im Fluss.
Einmal um die Welt
Margrit Keller wurde 1947 geboren und begann mit 16 Jahren eine Lehre als Keramikmalerin. «Nebenbei habe ich das Töpfern gelernt», erzählt sie über jene Jahre, in denen das Handwerk sie zu formen begann. Doch bevor sie sesshaft wurde, zog es sie hinaus in die Welt. Als «Mädchen für alles» arbeitete sie auf Schiffen – vom Indischen Ozean bis in die Antarktis, von San Francisco einmal um die ganze Welt. «Die Eindrücke dieser Reisen leben in vielen meiner Werke weiter – mal bewusst, mal verborgen», sagt sie. 1982 gründete sie ihre eigene Werkstatt in Schönholzerswilen, zehn Jahre später zog sie nach Sulgen. Dort arbeitet sie bis heute – inzwischen 78-
jährig, aber voller Energie.
Unberechenbarer Prozess
Ob Steingut, Porzellan oder Steinzeugton – Keller kombiniert Materialien mit experimenteller Freude. Sie mischt Glasuren selbst, verwendet Asche, Flusssand und Treibholz aus der Thur. «Ich bin jedes Mal gespannt darauf, wie meine Erzeugnisse nach dem Brennen aussehen», sagt sie. «Frust und Freude liegen manchmal nahe beieinander.» Doch trotz aller Erfahrung bleibt der Moment der Öffnung des Ofens ein Augenblick der Wahrheit. «Nicht nur forme ich den Ton, er hat auch mich geformt.» Dieser Satz scheint wie ein Leitmotiv ihres Lebenswerks. Ihre Arbeiten entstehen meist intuitiv. Sie beginnt, ohne das Ende zu kennen und lässt Raum für Überraschung. Was bleibt, ist stets ein Unikat: nichts wiederholbar, nichts reproduzierbar.
Kunst zum Anfassen
Ihre Werke darf man berühren. Soll man sogar. «Ich mag es nicht, wenn Kunst ausschliesslich zum Betrachten ist.» Deshalb fertigt sie Teeschalen, Müeslischüsseln, Krippenfiguren. Dinge, die Wärme speichern. Dinge, die Geschichten mittragen. Vor allem die Hirtenfiguren haben es ihr angetan. «Auf meinen Afrikareisen habe ich unzählige Hirten beobachtet und war stets beeindruckt von ihrer inneren Ruhe», erzählt sie. Manche ihrer Werke tragen Melancholie, andere strahlen stille Heiterkeit aus. Keller will nicht belehren – aber sie hofft, «dass sie Freude bereiten und für den einen oder anderen ein Lichtblick sind.»
15. Kulturwoche Kapelle Heldswil
Vom 31. Oktober bis 7. November findet in der Kapelle Heldswil die 15. Kulturwoche statt. In diesem Jahr steht die Keramikkunst von Margrit Keller im Mittelpunkt. Die Vernissage findet heute Freitag, 31. Oktober, von 19 bis 21 Uhr statt – mit Laudatio von Daniel Enz und Saxofon-Improvisationen von Oliver Paganini.
Während der Woche ist die Ausstellung täglich geöffnet. Im Festzelt nebenan können Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Bastelwerkstatt Weihnachtsdekor gestalten und die Engelsbar bietet Speis und Trank.
Öffnungszeiten Ausstellung und Bastelwerkstatt:
• Sa./So./Mi.: 14–18 Uhr
• Mo./Di./Do.: 17–21 Uhr
• Fr., 7. November: 16.30–18.30 Uhr
Organisation durch Stefan Fischer, Silvia Hug, Monika Niklaus und Bekim Zejnullahi sowie rund 40 Helfenden. Die Kulturwoche gilt als beliebter Treffpunkt in der Region – für Kunstfreunde, Familien und Neugierige.
Benjamin Schmid
