Freitag, 24. Oktober 2025

Kradolf-Schönenberg. Guido Bruggmann hat 2024 sein drittes Buch veröffentlicht. Am Poesietag wird er Haikus sowie alte und neue Texte lesen. Erstmals präsentiert der Autor aus Kradolf einen Kurzkrimi, den er mithilfe künstlicher Intelligenz geschrieben hat. Dabei verarbeitet er historische Fakten der Schönenberger Industriegeschichte.

Die Unterstützung sei schon gewaltig, sagt Guido Bruggmann. Als Autor faszinieren ihn die Möglichkeiten, welche Künstliche Intelligenz (KI) heute bietet. Für den Poesietag hat er erstmals einen Text mit ChatGPT überarbeitet, den Stil und die Ausdrucksweise verändert. Sogar eine Lesefassung hat die KI extra entworfen, dabei den Inhalt leicht gestrafft und Betonungen vorgeschlagen. «Ich war verblüfft», sagt Bruggmann.

Als Korrektor und Lektor hingegen sei die KI eine Konkurrenz, deren Fähigkeiten er kritisch gegenüber stehe. Darum hat er auf seiner Homepage, über die er Korrekturen anbietet, auch den Hinweis diesbezüglich angebracht: Keine Texte werden damit bearbeitet. «Da habe ich nur schon wegen Datenschutz Bedenken», meint er. «Und der individuelle Zugang zur Verfasserin oder dem Verfasser sowie die Einbeziehung der Umstände sind Leistungen, welche Menschen besser erbringen.»

Erster gemeinsamer Auftritt

Dennoch: Mit seinem neuen Text ist er zufrieden und er kann es kaum erwarten, diesen vor Publikum vorzustellen. Das nicht nur, weil er erstmals am Poesietag auftreten darf. Dieser findet seit 1998 zum zwölften Mal statt und Bruggmann lobt: «Ich war von Anfang an beeindruckt von dieser Veranstaltung und bei jeder Durchführung Gast.» Sondern auch, weil er mit dem renommierten Künstler und Gründer der Poesietage, Arthur Schneiter, die Bühne teilt.

Vor fünf Jahren hat der ehemalige Sekundar- und Berufsschullehrer seine erste Geschichtensammlung im Eigenverlag herausgebracht. Seine Frau animierte ihn, der schon sein ganzes Leben für sich selbst geschrieben hatte, dazu, endlich einmal etwas zu veröffentlichen. Sein bisheriges Werk umfasst biografisch inspirierte Texte sowie Kolumnen für die Personalzeitschrift des Kantons Thurgau, die «Leuetatze». Dazu hat er immer wieder fiktive Texte produziert, denen geschichtlich akkurate Fakten zugrunde lagen. Ein Beispiel dafür ist das Porträt des Pflegekinds und politischen Aktivisten Hans Bruggmann aus seinem jüngsten Buch. «Ich bin durch Zufall auf meinen Namensvetter gestossen», sagt der Autor. «Dann habe ich im Sozialarchiv in Zürich seine bewegende Lebensgeschichte recherchiert.»

Oder die Geschichte «Das unsichtbare Kind», die vom Schicksal eines Mädchens im St. Galler Stadtteil Bruggen in den 70er-Jahren erzählt. Das Mädchen muss illegal bei den Eltern leben, die als Saisonniers in der Schweiz arbeiteten, als Familiennachzug noch verboten war und zahlreiche Familien zerriss. Auch für seinen neuen Kurzkrimi hat er eine dramatische Situation aus der hiesigen Arbeitergeschichte gewählt: den Niedergang der Seidenstoffweberei in Schönenberg. Nach einem Streik am 1. Mai gab es eine Massenentlassung, die beinahe zu Aufständen geführt hätte. «Von den 80 entlassenen Arbeitern waren 60 Italiener», sagt Bruggmann. Um den Krimi zu schreiben, habe er ChatGPT unter anderem mit historischen Texten gefüttert.

Emotionale Geschichten

Das harte Leben der Arbeiterklasse ist sowieso ein Thema, das ihn stark interessiert. Auch ein weiterer neuer Text handelt von der Seidenstoffweberei und der Kraftzentrale. Allerdings ist dieser aus der Sicht einer Schweizer Familie geschrieben und behandelt die Auswirkungen, welche die Ansiedelung dieses grossen Industriebetriebs auf das kleine Dorf und seine Bewohner hatte. Diesen neuen Text wird Bruggmann ebenfalls am Poesietag vorlesen, passend zum Veranstaltungsort in der Kraftzentrale.

Dass der Poesietag interdisziplinär gestaltet ist, verstärkt seine Vorfreude zusätzlich. In der Vergangenheit ist er bereits mit den Musikern Urs Bösiger und Oktay Duman aufgetreten, was beides grossen Spass bereitete. Und er liebt es, wenn er das Publikum zum Mitmachen bewegen kann. «Zum Beispiel Clustering, eine Technik des kreativen Schreibens», gesteht er. Dabei lässt sich Guido Bruggmann von den Besucherinnen und Besuchern Themen vorschlagen, zu denen er Assoziationen aufschreibt, woraus er dann eine Geschichte fertigt. Ob und wie Letzteres am Poesietag zum Tragen kommt: Am besten selbst herausfinden!

Poesietag: Wenn Worte auf Klang treffen

Am Sonntag, 26. Oktober, lädt der Kradolf-Schönenberger Poesietag in die Kraftzentrale Schönenberg ein. Von 10.30 bis 11.45 Uhr erwartet die Besucherinnen und Besucher im Untergrund der ehemaligen Seidenweberei eine faszinierende Begegnung von Wort und Musik.

Der Textautor Guido Bruggmann aus Kradolf und der Klangkünstler Arthur Schneiter aus Schönenberg verweben Texte und Klänge zu einem einzigartigen Dialog. Die mystischen Töne der Klangsteine verwandeln Worte in Melodien, die mit der besonderen Akustik des Raums verschmelzen – oder erzählen ihre ganz eigenen Geschichten.

Arthur Schneiter erforscht seit über 40 Jahren die geheimnisvolle Sprache der Steine, während Guido Bruggmann seine pointierten Kurzgeschichten bereits in verschiedenen Medien und Büchern veröffentlichte.

Eintritt frei (Kollekte). Anmeldung an g.bruggmann@bluewin.ch empfohlen, da die Platzzahl beschränkt ist.

Stefan Böker