Freitag, 3. Juli 202o
Sulgen. Wie es ein Brauch in der Druckereibranche vorsieht, werden Auszubildende am Ende ihrer Lehrzeit «gegautscht». Seit Dienstag gehört auch Jens Burkart, Lehrling der medienwerkstatt ag, offiziell der Gilde der Buchdrucker an.
Wenn Du deine Lehre so schnell absolviert hättest, wie Du heute gerannt bist, wärst Du wohl schon nach zwei Jahren fertig gewesen», sagte Matthias Egli, Mitglied der Geschäftsleitung der medienwerkstatt ag, zu der auch der Neue Anzeiger gehört. Seine Worte richtete er an Jens Burkart, der sich in den vergangenen vier Jahren zum Polygrafen ausbilden liess. Wie in der Druckereibranche üblich, endet die Lehrzeit nicht mit der erfolgreich bestandenen Abschlussprüfung, sondern mit dem «Gautschen».
Gut vorbereitet
«Ich habe mich schon seit dem ersten Tag meiner Lehre auf diesen Tag gefreut», sagte Jens Burkart. Und allem Anschein nach hat er sich auch gut darauf vorbereitet. Das Tragen von älteren Kleidern und das Anbringen einer grossen Wasserpistole zur Verteidigung unter dem Gautsch-Wagen liessen erahnen, dass er wusste, wann das Ereignis stattfinden würde. Von langer Hand geplant dürfte wohl auch sein Fluchtweg gewesen sein. Denn kaum hallte am Dienstag der Ruf «Packt an!» durch die Büroräumlichkeiten, sprang Jens Burkart aus dem Fenster und suchte das Weite. «Das ist bisher noch keinem Lehrling gelungen», war von verschiedenen Seiten zu hören. Letztendlich konnte der Flüchtende beim Auholzsaal dingfest gemacht und gefesselt werden. «Das fühlt sich an wie Fifty Shades of Kabelbinder», sagte er lachend. Das Lachen verging ihm auch nicht, als er unter den Blicken von Arbeitskollegen, Familienmitgliedern und etlichen Zaungästen zum Brunnen beim Seniorenzentrum gekarrt wurde, wo – begleitet von Gautschmeisterin Natalie Glausers Worten «Lasst seinen corpus posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm bis triefen beide Ballen! Der durstgen Seele gebt ein Sturzbad obendrauf, das ist dem Sohne Gutenbergs die allerbeste Tauf» – das jahrhundertealte Ritual samt Vollbad im Brunnen vollzogen wurde. «Das war so lustig, ich habe es sehr genossen», sagte Jens Burkart. Abschliessend gratulierte Matthias Egli dem jungen Berufsmann zur hervorragenden Gesamtnote von 5,4.
Gautsch-Essen folgt
Als obligates Gautsch-Essen steuert Jens Burkart zum firmeninternen Grillfest im Herbst das Dessert bei. «Früher waren die Gautsch-Essen richtig legendär und dauerten bis tief in die Nacht», erinnert sich Fabio Wenger, Mitglied der Geschäftsleitung, der 2003 nach seiner Lehre bei der damaligen Firma Heer Druck AG ebenfalls gegautscht wurde.
Monika Wick