Mittwoch, 24. Mai 2017

Sulgen. Technisch ist die 101 Jahre alte Gotthard-Dampflokomotive des Vereins Eurovapor Lokremise Sulgen wieder bereit für die Schiene. Jetzt wird Geld für die Testphase gesammelt.

Eine Finanzierung über «Crowdfunding» zur Realisierung von Projekten und Ideen wird bereits von vielen Menschen genutzt. Da ist die Anschubfinanzierung für eine Firmengründung, die Geldbeschaffung für einen kulturellen Anlass oder die Verwirklichung eines persönlichen Traums, die eigene CD, der eigene Roman, der Autoeigenbau. Warum sollte man so nicht die restlichen Mittel beschaffen, damit die Gotthard-Dampflokomotive C 5/6 2969, Spitzname «Elefant», fertiggestellt werden kann, fragte sich Riccardo Keller, der in den letzten Jahren viel an der Restaurierung des Eisengiganten mitgearbeitet hatte. Auf das Finanzierungsmodell «Crowdfunding» ist er im Laufe seines Maschinenbaustudiums gestossen und die Idee hat ihn nicht mehr losgelassen. «Ich habe das Modell an einer Vorstandssitzung bei uns im Verein vorgestellt. Als ich erklärt habe, dass die Zeit, die ich dafür aufwenden würde, der einzige Verlust sein wird, den wir erleiden, wenn wir die Summe nicht zusammenbekommen, war die Sache klar: Wir werden es probieren.»
Der zeitliche Aufwand für das Erstellen der Informationen auf der Crowdfunding-Plattform und deren Betreuung sei dann doch etwas intensiver gewesen, als er erst vermutet hatte, gibt Riccardo Keller zu. «Einige wollen erst Geld spenden, nachdem sie sich detailliert über das Projekt erkundigt haben, was verständlich ist. Da muss man sich dann die Zeit nehmen und die Anfragen beantworten. Andere erkundigten sich zum Beispiel, ob es nebst dem Einzahlen per Kreditkarte auch noch eine andere Möglichkeit gibt, bei uns eine Spende abzugeben.»

In Griffweite
Dem Ziel, innert 100 Tagen 15 000 Franken zu sammeln, ist der Verein schon sehr nahe. Rund 20 Tage vor Ablauf der Frist sind bereits an die 90 Prozent der Summe zugesichert (Link https://www.100-days.net/de/projekt/gotthard-dampflok). Riccardo Keller ist zuversichtlich, dass der Restbetrag auch noch zusammenkommt. Überhaupt sei er überrascht gewesen, von woher das Projekt überall unterstützt wird. «Beim Crowdfunding sagt man, dass in der Regel Verwandte, Bekannte und Freunde rund einen Drittel beisteuern. Schaue ich unsere Liste an, so sind da fast nur Namen darauf, die ich nicht kenne. Dass sich so viele Leute für den Erhalt und die Wiederinbetriebnahme unserer Dampflok einsetzen, hat uns enorm gefreut.»

Kohle für Testfahrten
Die C 5/6 2969 ist rein technisch so gut wie fertig. Die 15 000 Franken, die mittels Crowdfunding zusammenkommen sollen, sind für die Testphase bestimmt. Dazu gehört auch die Kohle und die Streckenmiete für Testfahrten. «Wir sind zuversichtlich, dass wir schon bald mit den Testfahrten beginnen können – wobei in einem ersten Schritt wohl weniger von einer Fahrt als von einigem Hin- und Herrollen beim Bahnhof Sulgen die Rede ist. So überprüfen wir nochmals alle Details, bevor wir dann eine Testfahrt bis ins Nachbardorf machen können.» Über ein Vierteljahrhundert haben die Mitglieder der Lokremise in Sulgen bereits an der Wiederinstandstellung ihres «Elefanten» gearbeitet. Nicht immer ist es so zügig vorangegangen wie es sich die Beteiligten gewünscht haben. «Die ganze Beschaffungskette ist manchmal sehr träge», lacht Riccardo Keller. Und damit meint er nicht nur die Finanzierung. «Es war auch nicht immer einfach, Betriebe zu finden, die überhaupt noch in der Lage und bereit waren, Spezialteile, die ersetzt werden mussten, anhand der Originalzeichnungen anzufertigen.» Dazu kommt, dass alle Mitglieder des Vereins am Projekt in ihrer Freizeit gearbeitet haben und deshalb nur sporadisch verfügbar waren.

Anfragen liegen bereits vor
Das Interesse, die historische Dampflok wieder auf der Schiene zu sehen, ist gross. Dies zeigen die vielen Anfragen für Fahrten, die dem Verein bereits vorliegen. «Wir hoffen natürlich, dass mit den Nostalgiefahrten, die künftig mit unserer Lokomotive stattfinden werden, auch wieder etwas zurück in die Vereinskasse kommt», sagt Riccardo Keller.

Hannelore Bruderer

Crowdfunding

Der Begriff «Crowdfunding» setzt sich aus den englischen Wörtern «crowd», was soviel heisst wie Menge oder Menschenmasse und «funding», dem Begriff für Finanzierung zusammen. In der Schweiz ist das Finanzierungssystem Crowdfunding vor rund zehn Jahren lanciert worden. Mittlerweilen existieren mehrere Internetplattformen, die dieses Art der Finanzierung unterstützen. Auf der Plattform wird das zu finanzierende Projekt vorgestellt. Durch die Unterstützung von mehreren Interessierte, die einen Beitrag für das Projekt sprechen, können auf diese Weise auch grössere Summen zusammenkommen. (hab)