Freitag, 14. April 2023

Erlen. Die aus Erlen stammende Sprinterin Lena Weiss findet nach schwierigen drei Jahren in die Erfolgsspur zurück. Sie trainiert mehrheitlich in Zürich, ist aber weiterhin Mitglied des Vereins Amriswil Athletics.

Man mag es kaum glauben, aber es gab eine Zeit, in der Lena Weiss trotz ihrer Begeisterung für die Leichtathletik mit dem Gedanken spielte, die Karriere zu beenden. Von 2016 bis 2019 bremsten hartnäckige Verletzungen die Sportlerin in ihrer Entwicklung. Aber eben, es wäre nicht Lena Weiss, wenn die Resignation die Oberhand gewonnen hätte. Aufhören war keine Option. «Ich wollte nochmals Vollgas geben und den Anschluss an die nationale Spitze wieder finden», sagt die Sportlerin, die über 100 Meter mit 11,50 Sekunden Thurgauer Rekordhalterin ist. Aufgestellt hat sie diese Bestmarke im Vorjahr an einem Meeting in Bulle. Stolz darf die Erlerin auch auf die 7,30 Sekunden über 60 Meter in der Halle sein, was in der ewigen Bestenliste der Schweizer Leichtathletik Rang 12 bedeutet. Auf internationaler Ebene sticht die an der U23-EM in Tallinn gewonnene Bronzemedaille in der 4-mal-100-Meter-Staffel heraus. Das war im Jahr 2015.

Von Eltern gefördert

Lena Weiss wohnt inzwischen unter der Woche in Zürich, wo sie in der Trainingsgruppe von Rita Schönenberger auf der Anlage des LCZ trainiert und angesichts der Fortschritte zuversichtlich ist, das gesteckte Ziel zu erreichen. Doch wie hat alles begonnen? Lena Weiss kam schon als achtjährige Primarschülerin mit der Leichtathletik in Kontakt. Der familiäre Hintergrund spielte dabei keine unwesentliche Rolle. «Ich wollte zuerst gar nicht Sportlerin werden, doch meine Mutter riet mir dazu und mein Vater war schon damals Trainer. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich talentiert bin und so habe ich zusehends Spass an der Leichtathletik gefunden», erzählt Weiss. Sie schätzt es, dass der Trainingsfleiss durch messbare Fortschritte erkennbar ist und sie für ihre Leistungen selbst die Verantwortung zu tragen hat. Der Sport ist für Lena Weiss auch eine Lebensschule. Man lerne, Prioritäten zu setzen, Herausforderungen zu meistern und auf ein Ziel hinzuarbeiten. «Der Sport hat mir unvergessliche Erlebnisse beschert und mich als Person weitergebracht», fasst Lena Weiss ihre bisherige Laufbahn zusammen. Befragt nach ihrem grössten Erfolg, überrascht sie mit dieser Antwort: «Das ist für mich die Befriedigung, nie aufgegeben und den Anschluss wieder gefunden zu haben.»

Vorliebe für kurze Distanzen

Waren es zu Beginn noch mehrere Disziplinen (unter anderem Hoch- und Weitsprung sowie Mehrkampf), in denen sich die junge Athletin versucht hatte, so legte Lena Weiss den Fokus im Laufe der Zeit immer mehr auf den Sprint, wo sie ihr grösstes Potenzial sieht. Heute tritt sie ausschliesslich über 60, 100 und 200 Meter an, gelegentlich auch über 100 Meter Hürden – dies mit Vorliebe in der Halle, wo äussere Einflüsse wie der Wind die Leistung nicht verfälschen. «Je kürzer die Distanz, desto lieber ist es mir», beschreibt Weiss ihre Präferenz. Wichtig sei es, bei einem Lauf die richtige Balance zwischen Lockerheit und Aggressivität zu finden. Ihre Stärken und Schwächen schätzt sie so ein: «Ich bin eine gute Starterin, muss mich aber auf der zweiten Streckenhälfte noch verbessern.»Motivationsprobleme kennt Lena Weiss auch nach zwei Jahrzehnten nicht. «Ich mache es gern und habe auch nie etwas anderes gewollt», sagt sie. Doch hat sie als Jugendliche und junge Erwachsene nicht doch etwas vermisst? Gab es aufgrund des grossen Trainingsaufwands nicht viele Entbehrungen? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. «Nein, überhaupt nicht», sagt Lena Weiss. Sie habe seitens des Elternhauses keinen Druck verspürt und ihr Vater, der damals noch ihr Trainer war, habe ihr den nötigen Freiraum zugestanden, um auch als Leistungssportlerin soziale Kontakte pflegen zu können. Und wie hält es Lena Weiss mit der Ernährung, im Leistungssport eine zentrale Frage. «Ich zähle die Kalorien nicht, achte aber natürlich darauf, meinem Körper, von dem ich ja auch viel verlange, gesunde Nahrungsmittel zuzuführen», erklärt die Athletin, die sich ab und zu aber auch etwas Süsses gönnt. Auch bei der Ernährung sei die Balance wichtig, ergänzt sie. Apropos gesund: Was sagt Lena Weiss zum Thema Doping? «Ich könnte auf meine Leistung nicht stolz sein, wenn unerlaubte Mittel im Spiel wären», erklärt sie und definiert ihren Standpunkt damit unmissverständlich. Gedanken darüber, wie sich andere Sportlerinnen diesbezüglich verhalten, mache sie sich nicht. Vorsicht sei dennoch geboten, betont Lena Weiss. So achte sie bei der Einnahme von Medikamenten sehr genau darauf, was erlaubt ist und was nicht. «Das gehört ebenfalls zu den Aufgaben einer Sportlerin.»

Dem Oberthurgau treu

In diesem Jahr ist die Teilnahme an den Jeux de la Francophonie (28. Juli bis 6. August) in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, für Lena Weiss ein grosses Ziel. Zudem möchte sie sich mit guten Leistungen für das Staffelprojekt des Schweizer Leichtathletikverbandes empfehlen. Obwohl sie im LC Zürich trainiert, hat Lena Weiss die Verbindung zum Oberthurgau nie abreissen lassen. So weilt sie immer wieder mal in Erlen, etwa um das Göttimeitli zu besuchen, und sie hält auch Amriswil Athletics die Treue. Für ihren Stammverein bestreitet Lena Weiss gerne die nationalen Vereinsmeisterschaften. «Ich habe diesem Verein viel zu verdanken und möchte ihm jetzt etwas zurückgeben», begründet sie ihr Engagement. Wie lange sie noch aktiv sein wird, vermag die Sprinterin nicht zu sagen. «Ich schaue von Jahr zu Jahr.» Ihrer Trainingspartnerin habe sie versprochen, zumindest bis 2024 weiterzumachen. Wobei: Im darauffolgenden Jahr gehen in Frauenfeld die Schweizer Leichtathletik-Meisterschaften über die Bühne! Wer weiss, ob das nicht ein triftiger Grund für die Verlängerung der Karriere sein wird.

Georg Stelzner

Zur Person

Lena Weiss wurde am 28. März 1994 in Münsterlingen geboren und wuchs in Oberaach und Erlen mit zwei Brüdern auf. Nach dem Besuch der Kantonsschule Romanshorn studierte sie an der Universität Zürich Geografie. Heute ist Lena Weiss mit einem 60-Prozent-Pensum wissenschaftlich-technische Mitarbeiterin bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung in Zürich Affoltern und befasst sich auf Projektbasis mit dem Bodenverdichtungsrisiko auf landwirtschaftlich genutzten Böden in der Schweiz. Ihre knapp bemessene Freizeit verbringt Lena Weiss gerne im Kreis von Bekannten. (st)