Freitag, 21. Juni 2019

Erlen. Während zwölf Jahren leitete Roman Brülisauer die Gemeinde Erlen. Seine Amtszeit war geprägt von einer soliden Finanzentwicklung, Bevölkerungswachstum und innovativen Projekten. Im Interview blickt er auf seine Tätigkeit als Gemeindepräsident zurück.

An Ihrer letzen Gemeindeversammlung bedankten Sie sich bei den Anwesenden für den Rückhalt, den die Bevölkerung Ihnen und dem Gemeinderat immer wieder entgegengebracht hat. Erinnern Sie sich an eine bestimmte Situation, bei der Ihnen dieser Rückhalt besonders wichtig war?
Roman Brülisauer: Bei den Abstimmungen zur Einführung des Geschäftsleitungsmodells und der familienergänzenden Betreuung. Beim Geschäftsleitungsmodell ging es nicht nur um die Einführung einer neuen Organisationsform, sondern auch um die Aufstockung der Stellenprozente. Soviel ich mich erinnere, lag die Zustimmung bei 120 zu fünf Gegenstimmen. Ähnlich hoch lag die Zustimmung zur Einführung der familienergänzenden Betreuung. Dem Gemeinderat bestätigten diese Resultate, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag und dass diese Projekte zeitgemäss und nötig sind. Solch neue Wege einzuschlagen, braucht Mut – und den hat man in Erlen. 

Was von alledem, das Sie sich in diesen zwölf Jahren vorgenommen hatten, konnten Sie verwirklichen? Brülisauer (lacht und deutet auf eine lange Liste auf seinem Pult): Vieles! Einige Ideen und Projekte haben sich aus den jeweiligen Situationen ergeben. Was ich aber besonders hervorheben kann, ist, dass die Verwaltung in Erlen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird und als kundenorientierter, effizienter Dienstleistungsbetrieb funktioniert. 

Und was konnten Sie nicht verwirklichen?
Brülisauer: Durch Verzögerungen beim Kanton ist die Ortsplanungsrevision nicht fertig geworden. Es wurmt mich schon, dass ich dieses für die Gemeinde enorm wichtige Projekt nicht zu Ende führen kann. Sonst kann ich aber wirklich nicht klagen. Während meiner Amtszeit sind sämtliche Behördenanträge, wenn nicht beim ersten Mal, so doch beim zweiten Mal angenommen worden.

Was waren die besonders schönen Aspekte Ihrer Tätigkeit?
Brülisauer: Als Gemeindepräsident steht man im Kontakt mit ganz vielen Leuten aus allen sozialen Schichten. Das Arbeitsfeld umfasst ein sehr breites Spektrum. Man muss nicht überall in die Tiefe sehen, dafür kann man Fachleute konsultieren, aber man muss sich ein breit gefächertes Wissen aneignen. Für Personen, denen das gefällt, ist das Amt ein idealer Job.

Haben Sie sich auch manchmal geärgert?
Brülisauer: Ja, bei Nachbarsstreitigkeiten. Oft geht es dabei um blos­sen Neid, der dann über so Nichtigkeiten wie eine Grundstückshecke ausgetragen wird. Ich verstehe nicht, wieso erwachsene Menschen in solchen Situationen nicht über ihren eigenen Schatten springen können, sondern lieber die Gemeindebehörden einschalten. Bei Nachbarsstreitigkeiten gibt es keine Gewinner, dafür setzen sie immer viel negative Energie frei, die niemandem etwas bringt. 

Sie haben sich dreimal der Wahl zum Gemeindepräsidenten gestellt, immer waren sie einziger Kandidat, nie hat Sie jemand herausgefordert. Verführt das nicht dazu, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen?Brülisauer: Überhaupt nicht! Seinen Job muss man die ganzen vier Jahre motiviert angehen, nicht nur vor den Wahlen. Bei der ersten Wahl war es sicher Zufall, dass es keine Gegenkandidatur gab. Dass Gegenkandidaturen bei den Erneuerungswahlen ausblieben, werte ich schon so, dass ich meine Arbeit gut gemacht habe. 

Anders als in vielen Thurgauer Gemeinen packen in Erlen die Behörden der Schule und der Politischen Gemeinde viele Projekte gemeinsam an. Wo liegt hier der Ursprung und was bringt es der Bevölkerung?Brülisauer: Dass eine Zusammenarbeit zwischen zwei Körperschaften klappt, ist eine reine Führungsfrage. Bereits in den ersten zwei Monaten nach meinem Amtsantritt habe ich mich mit Schulpräsident Heinz Leuenberger zu einem Gespräch getroffen. Wir waren uns in ­vielem einig und waren wir unterschiedlicher Meinung, so waren wir immer bereit, nach bestmöglichen Lösungen für die Bevölkerung zu suchen. Die Steuerzahler sind bei der Schule und der Gemeinde die gleichen, da kann es nicht sein, dass sich eine Organisation gegenüber einer anderen besonders hervorhebt. Bei uns gab es dehalb nur eines – und das heisst Erlen. Ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit ist die Aachtalhalle oder unser neuestes Projekt, die familienergänzende Betreuung. 

Ihr Nachfolger Thomas Bosshard ist Mitglied des Gemeinderats und kennt die anstehenden Herausforderungen. Haben Sie ihm dennoch Ratschläge mit auf den Weg gegeben?
Brülisauer: Ratschläge erteile ich nicht, Antworten auf Fragen gebe ich gerne. Wir haben eine rund zehntägige Einarbeitung hinter uns mit den Schwerpunktthemen Verwaltung, Organisation, Netzwerk und pendente Projekte. 

Sie arbeiten nun als Leiter des Amtes für Freizeitanlagen und Sport. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt? Brülisauer: Die Stelle beinhaltet erneut ein breites Arbeitsfeld mit Kontakten zur Bevölkerung und anderen Ämtern. Die zwölf Jahre Erfahrung als Gemeindepräsident werde ich gut einbringen können. 

Sie bleiben in der Gemeinde wohnen. Inwieweit werden Sie sich künftig in Erlen einbringen?
Brülisauer: Öffentlich werde ich mich politisch sicher nicht mehr äus­sern. Wenn mich etwas stört, werde ich aber das machen, worauf ich die Bevölkerung während meiner Amtszeit immer wieder hingewiesen habe: Kommt im Gemeindehaus vorbei und sprecht darüber. Sonst habe ich mir vorgenommen, dass ich mich in den kommenden Monaten auf meine neue Arbeit konzentrieren und mehr Zeit mit meiner Familie verbringen werde. 

Interview: Hannelore Bruderer