Freitag, 5. März 2021

Bürglen. Ein wichtiger Betriebszweig für den viehlosen Biohof der Familie Hut in Bürglen ist seit 2005 die Produktion von Chicorée. Die Wurzeln dieses Wintergemüses pflanzen sie auf einer Fläche von einer Hektare an. In Erdkultur in der Treiberei gedeihen diese im Winter zu Chicorée.

Durch den Verzicht auf die Wassertreiberei für die Produktion der Chicoréezapfen fällt für die Familie Hut mehr Arbeitsaufwand an. Auch bei der Erde, welche sie in der Treiberei einsetzen, achtet die Familie Hut auf Ökologie und Nachhaltigkeit. Sie beziehen diese von einer Biogärtnerei aus dem Oberthurgau, welcher hierfür Kompost und Bims einsetzt. Für den vitamin- und mineralstoffreichen Chicorée – ein typisches Wintergemüse, das am Markt rege nachgefragt wird – sind das ganze Jahr über zahlreiche Arbeitsgänge und viel Handarbeit nötig. Beatrice und Hans Jörg Hut führen ihren Biobetrieb als Generationengemeinschaft mit ihrem Sohn Jannic. Sie freuen sich, dass ihre Betriebsphilosophie für schonende und nachhaltige Anbaumethoden von ihrem Sohn mitgetragen wird. Jannic Hut schloss 2015 die Ausbildung zum Landwirt EFZ (mit Schwerpunkt Biolandbau) am Berufsbildungszentrum Arenenberg ab und ist derzeit in der Weiterbildung an der Betriebsleiterschule. «In den Wintermonaten arbeite ich überwiegend auf dem elterlichen Betrieb mit. Meine Eltern sind froh, wenn ich ihnen bei den Arbeiten rund um die Chicoréetreiberei mithelfe. Wir arbeiten eng mit einem Vertriebspartner zusammen, der regelmässig bestimmte Mengen bestellt und damit Reformhäuser und Biofachgeschäfte beliefert.» 

Überzeugter Bio-Bauer

Nebst Chicorée baut die Familie Hut zahlreiche Gemüsearten sowie Obst, Kürbis, Weizen, Dinkel und Kartoffeln an. Für ein Unternehmen, welches homöopathische Arzneimittel herstellt, werden auch Mariendistelsamen erzeugt. «Wir produzieren mit grossem Selbstverständnis nachhaltig und ökologisch – so, wie es die Konsumenten fordern. Uns ist aber bewusst, dass Bio nicht die Lösung aller Umweltprobleme ist. Und um die einheimische Selbstversorgung möglichst hoch zu halten, muss ein Zwischenweg gefunden werden. Dieser bewegt sich zwischen den gesellschaftlichen Forderungen nach Ökologie und dem Leistungsauftrag an die Landwirtschaft, welcher die Produktion von Nahrungsmitteln beinhaltet», so Jannic Hut. Sein Vater ist überzeugter Biobauer und sagt, dass er sich von der Kritik an der Landwirtschaft in seiner Arbeit und Werthaltung infrage gestellt fühle: «Ich wünschte mir, dass wieder mehr Sachlichkeit in der öffentlichen Diskussion herrscht. Nachhaltigkeit, Ökologie und der Erhalt gesunder, fruchtbarer Böden, welche für kommende Generationen die Nahrungsmittelproduktion sicherstellen, leiten unsere Arbeit.» 

Nachhaltigkeit fördern 

Hans Jörg Hut sieht diese Bestrebungen ganz klar als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung und nicht als einseitige Forderung an die Landwirtschaft. Damit spreche er unter anderem auf die Thematik der privaten Gärten an, in denen teils unkontrollierte Mengen an Pflanzenschutzmitteln ausgebracht werden und Biodiversität Mangelware sei. Ebenso wünschte er sich, dass vermehrt ein Augenmerk auf Rückstände in den Gewässern, beispielsweise von Mikroplastik aus Kosmetika oder Arzneimitteln, gerichtet werde und deren Emissionen vermindert werden. Jannic Hut räumt ein, dass er sich immer wieder Gedanken über die öffentliche Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Bevölkerung mache: «Es ist nötig, Missverständnisse auszuräumen und mit Fakten und Argumenten statt Emotionen die Konsumenten abzuholen.» Die Familie Hut baut Kulturen an, welche arbeitsintensiv sind. Sie setzen aus Überzeugung nur wenig Pflanzenschutzmittel ein. So decken sie zum Beispiel die verschiedenen Kohlarten zum Schutz vor Schädlingen mit Kulturschutznetzen ab. Bei den Kartoffeln stellt Krautfäule ein Problem dar und kann zu massiven Ernteeinbussen führen: Hier sind für sie die tolerierten Mittel, die nur bei Bedarf zum Einsatz kommen, von Bedeutung. Auch beim Obst ist ihnen nachhaltige Produktion wichtig: So setzen sie die Verwirrtechnik zur Bekämpfung des Apfelwicklers ein, der zu den grössten Obstschädlingen Europas gehört. Wenn sie die Stäbchen, welche die Pheromone abgeben, nicht mehr verwenden dürften, wäre dies ein herber Rückschlag in der Produktion.

Perspektiven erhalten 

«Wir ernten das Meiste als Tafelobst. Was unter den Bäumen liegen bleibt oder aussortiert wird, lassen wir zu Most pressen. Oder es wird zu getrockneten Apfelringli verarbeitet, so verwerten wir alles und vermeiden Food Waste», erklärt Jannic Hut. Die Kürbiskerne werden im schaffhausischen Barzheim gepresst und deren hochwertiges Salatöl gelangt in den Fachhandel. Für den Weizen ist ein Biofachhandelspartner der Abnehmer. Hans Jörg und Beatrice Hut sind froh darüber, dass sie die meisten Produkte direkt vermarkten können und nur wenig, beispielsweise den Chicorée oder das Getreide, über den Detailhandel absetzen. «Durch Direktvermarktung erfahren wir mehr unmittelbare Bestätigung für unsere geleistete Arbeit und können praktisch alles ohne Verluste absetzen.» Jannic Hut arbeitet derzeit im Frühjahr und Sommer auch noch auswärts in einem Gartenbauunternehmen. «Ich möchte gerne, wenn für meine Eltern der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den Betrieb übernehmen und weiterführen. Es gibt für mich nichts Schöneres, als etwas anzusäen und zu ernten. Und es ist motivierend, dass es für alles, was wir produzieren, eine Nachfrage am Markt gibt.» So hoffen er und seine Eltern, dass diese betrieblichen Perspektiven für eine nächste Bauerngeneration erhalten bleiben und nicht durch weitere Einschränkungen und Auflagen an Pflanzenschutz und Ökologie erschwert oder gar verunmöglicht werden.

(pd)

Familienbetrieb

1995 führte Hans Jörg Hut den elterlichen Betrieb zunächst in Pacht, im Jahr 2000 übernahm er den Betrieb und stellte auf Bio um. Seit 2020 wird der Hof von Hans Jörg und Beatrice Hut in Generationengemeinschaft mit Sohn Jannic Hut geführt. Für die Direktvermarktung ist vor allem Beatrice Hut zuständig. (pd)