Freitag, 22. Juli 2016

Ulm/Moos. Nach Sitter und Thur nun auch noch die Donau – das Floss des Flossclubs Wasserflöh mit dem «Appenzeller»-Sujet war am Montag zu Gast am «Nabada» in Ulm. Auf und neben dem Gewässer brachten die Einheimischen den Thurgauer Flössern viele Sympathien entgegen.
Die jungen Frauen sind schon ein bisschen angesäuselt. Zwei junge Burschen, die zur Gruppe stossen, werden freudig begrüsst und umarmt. Ein älterer Herr, der sich auf seinen Gehstock stützt, versucht mit zittrigen Händen, zwischen ihnen ein Taschentuch auszubreiten, um darauf Platz zu nehmen. Gerade noch rechtzeitig, bevor er stürzt, greift ihm eine der jungen Frauen helfend unter die Arme. Die Jungen nehmen den Mann in ihre Mitte, scherzen und lachen. Mit ihnen säumen rund 50 000 weitere Schaulustige die Ufer der Donau bei Ulm und warten auf das Nabada (schwäbisch für «Hinunterbaden). Auf dem Wasser patroullieren die Boote der Organisatoren und der Rettungsdienste. Die Regenfälle der vergangenen Woche haben die Donau auf kühle 15 Grad abgekühlt.

Kreativ und bescheiden
«Wann kommen die Schweizer?», fragt eine Frau ihren Begleiter. Es hat sich herumgesprochen, dass in diesem Jahr ein Floss aus dem Nachbarland den Traditionsanlass besucht. «Die Schweizer» – gemeint ist Floss und Mannschaft des Flossclubs Wasserflöh aus dem Bürgler Ortsteil Moos – liegen noch am Ufer vertäut. Der Flossaufbau mit seinen drei schweigenden Appenzellern und dem gigantischen Fondue-Caquelon war schon beim Mammut-Flossrennen auf Sitter und Thur ein Hingucker und landete in der Originalitätsklasse auf dem zweiten Platz. Das Thema ihres diesjährigen Flos­ses hat den Flössern aus Moos zu diesem aus­sergewöhnlichen Auftritt am Ulmer Volksfest verholfen. Ein Foto des Flos­ses mit den bekannten Figuren aus der Werbung erreichte auch die Chefetage der Sortenorganisation Appenzeller Käse. Dass die «Wasserflöh» das Sujet so authentisch umgesetzt und für den Bau des Flosses nicht einmal um Sponsorengeld angeklopft, sondern ihre Idee selber finanziert haben, hat dem Direktor von Appenzeller Käse, Christoph Holenstein, imponiert. Das Foto des Flosses wurde auch Günter Wolf von der Switzerland Cheese Marketing GmbH übermittelt, der in Ulm wohnt. «Das wäre etwas für unser Nabada», dachte sich Wolf. Er und Christoph Holenstein wollten die Kreativität und Bescheidenheit der Flös­ser aus dem Thurgau belohnen. «Wir haben den Floss­club nach Ulm eingeladen und tragen die Kosten für den Transport und die Unterbringung der Flösser. Organisieren musste sich der Verein aber selber», erklären sie.
Daniel Santschi lehnt an der Ufermauer und blickt hinunter auf den Fluss. Erst habe die Einladung nach Ulm keinen Begeisterungssturm bei im ausgelöst, gibt der Präsident des Flossclubs Wasserflöh preis. «Nach dem Bau des Flosses, dem Rennen auf Sitter und Thur sowie dem Vereinsauftritt mit der Flösserbar an der Bürgler Frühlingsausstellung war bei mir die Luft draussen. Ich wollte in diesem Jahr nicht noch etwas organisieren.» Erst als Vereinsmitglied Sacha Thür sich bereit erklärt hatte, diesen Teil zu übernehmen, liess er sich von der Vorfreude der anderen anstecken.

Schwieriger Transport
Mit seinen zwei Teilen, die zusammen 18 Meter lang, 2,5 Tonnen schwer und drei Meter hoch sind, wurde für den Transport ein Tieflader benötigt. Über die Formalitäten für die Ausfuhr sei er fast verzweifelt, sagt Sacha Thür. So sei es nicht möglich gewesen, das Floss nach Ulm zu überführen und von dort direkt weiter nach Unteruhldingen, wo die Flösser am nächsten Wochenende eine der Attraktionen am Hafenfest sind. «Das Floss muss zuerst wieder zurück in die Schweiz», erklärt Thür. «So müssen wir das Floss in Moos erst wieder abladen. Am nächsten Wochenende werden wir es mit dem Traktor dann nach Bottighofen schaffen und von dort, gezogen von einem Schiff, über den See setzen.» Einfacher als gedacht verlief jedoch der Ablad in Ulm, wo im Gegensatz zum Mammut Flossrennen in Kradolf kein Kran zur Verfügung stand. «Der Chauffeur hat sein Handwerk verstanden und den Lastwagen so nah wie möglich an den Einwässerungsort gefahren. Dann haben ganz viele Ulmer spontan angepackt und unser Floss abgeladen. Die Leute sind sehr herzlich hier», sagt Thür. Diese Herzlichkeit hätten die 13 mitgereisten Mitglieder des Flossclubs am Festwochenende an vielen Orten in der Stadt erfahren. «Wir haben das Programm aber auch bewusst nicht überladen, damit wir genügend Zeit für Geselligkeit hatten.»
Kurz vor 16 Uhr strömen immer noch mehr Menschen an die Donau und suchen sich einen Platz mit Sicht auf den Fluss. «Du, hocksch du hier noch ein Weilchen? Kansch du auf meine Tasche aufpasse? Ich möcht was zum Trinke hole», fragt eine Wildfremde und verschwindet in der Menge. Bevor sie wieder mit einem Becher in der Hand zurückkommt, dauert es ein bisschen. Die Tasche ist noch da, gleich mehrere Augenpaare haben dafür gesorgt.

Höhepunkt des Vereinsjahrs
Auf dem Floss der Wasserflöh lässt sich niemand von dem hektischen Treiben um sie herum anstecken. Am langen Tisch zwischen Fondue-Caquelon und schweigenden Appenzellern sitzen auch Christoph Holenstein und Günter Wolf. Sie fahren mit den Mooser Flössern mit. «Mit dieser Gegenleistung für unsere Einladung haben wir schon gerechnet», lacht Günter Wolf.
Offiziell wird das Nabada mit Böllerschüssen eröffnet. Aber bereits vor dem grossen Knall ist auf dem Fluss die Hölle los. Auf allem was schwimmt lassen sich die Teilnehmenden den Fluss hinuntertreiben. Eine Gruppe hat sich aufblasbare Schwäne beschafft und gondelt im Schwarm die Donau hinab. Ein junger Mann liegt entspannt mit einer Flasche Bier in der Hand auf einer Luftmatratze, zu seinen Badeshorts trägt er eine wärmende Wollmütze. Kriegerisch geht es zwischen zwei grösseren Gummibooten zu und her. Die Flussschiffer versuchen sich mit Wasserpistolen gegenseitig den Garaus zu machen. Dabei kommen sie einem der immer noch vertäuten Themenschiffe zu nahe. Die dortige Besatzung kühlt die hitzigen Gemüter mit ­einigen Eimern voll kaltem Donauwasser. Es sind so viele Menschen und Schwimmuntersätze auf dem Fluss, dass man kaum noch Wasser sieht.
Nach und nach legen auch die Themenschiffe ab. Das Floss aus der Schweiz zieht erneut viel Aufmerksamkeit auf sich, den «Appenzellern» wird zugewunken und Beifall geklatscht. «Der Auftritt in Ulm war das Highlight des Vereinsjahres», fasst Sacha Thür kurz und bündig zusammen.

Hannelore Bruderer

Schwörmontag

Der Schwörmontag ist Ulms höchster Feiertag. In der ganzen Schwörwoche finden verschiedene Veranstaltungen und Konzerte statt. Das «Nabada» am Schwörmontag ist der Höhepunkt zum Abschluss des Volksfestes. (hab)