Freitag, 11. Dezember 2020

Sulgen. Erwin Dreier fertigt in Sulgen Schlitten an. Der Inhaber der Firma 3R AG gab kürzlich im Bohlenständerhaus in Amriswil einen Einblick in sein aussergewöhnliches Handwerk und in die Geschichte des Davoser Schlitten. 

Seit Generationen gilt er als Klassiker: Wer kennt ihn nicht – den Davoser Schlitten? Begonnen hat seine Geschichte im Jahre 1883 am ersten nachgewiesenen Schlittenrennen, auf der Strecke von Davos-Wolfgang nach Klosters. «Die Teilnehmer fuhren damals mit einfachen Holzschlitten, die vermutlich von den Wagnern in Davos gebaut wurden. Der Wintersport wurde in den darauffolgenden Jahren immer populärer», erklärte Erwin Dreier dem Publikum. Trotz moderner Technik und Maschinen, stecke viel Handarbeit in den Sulger Schlitten, die in seiner Firma 3R AG produziert werden.

Heimisches Holz

Für den Schlittenbau werde ausschliesslich Eschenholz verwendet, das weitgehend aus dem Thurgau stammt, sagte der gelernte Wagner, Schreinerwerkmeister und Marketingplaner. Eschenholz sei hart, strapazierfähig und lasse sich gut biegen. Aus den Baumstämmen werden Bretter gesägt und ein Jahr lang gelagert, damit das Holz die richtige Feuchtigkeit für das Dampfbiegen hat. Denn die Schlittenkufen aus massivem Eschenkantholz werden im traditionellen Dampfbiegeverfahren gebogen. Für das Fahrverhalten des Schlittens ist es wichtig, dass bei jedem Schlitten die beiden Kufen aus demselben Stück Holz hergestellt werden. «Sonst verzieht sich der Schlitten und fährt nicht geradeaus», erklärte Erwin Dreier. Schlitten werden das ganze Jahr hindurch produziert. Doch fertig hergestellte Schlitten seien nie viele am Lager – dies aus wirtschaftlichen, aber auch aus Platzgründen, so der Schlittenbauer. Um rasch produzieren zu können, seien zwar alle benötigten Teile immer vorrätig, denn oftmals kämen die Aufträge sehr kurzfristig.

Auch für den Export

Zu den Hauptabnehmern der Schlitten gehören seit vielen Jahren Ochsner Sport und Intersport, mittlerweile auch vermehrt der Online-Handel. Etwa fünf Prozent der Schlitten werden exportiert, vor allem nach Deutschland. Selten wird auch nach Übersee geliefert, beispielsweise nach Amerika oder Japan. Es gäbe Heimwehschweizer und sogar Japaner, die einen Original Davoser Schlitten möchten, sagte Erwin Dreier. Dann erzählte er von einem besonderen Erlebnis im vergangenen Jahr: «Ein Davoser Schlitten wurde uns aus Norddeutschland zur Reparatur zugestellt. Der Besitzer dieses Schlittens weilte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Basel und bekam einen Davoser Schlitten als Souvenir. Wir haben dann die kaputten Schlittenkufen geflickt, was sich grundsätzlich gar nicht lohnt. Doch der Mann wollte seinen Schlitten unbedingt behalten.» Eigentlich hat dieser legendäre Klassiker eine kommerziell unattraktive Eigenschaft: Der Davoser Schlitten überlebt Generationen.

Verschiedene Modelle

Nebst Holzschlitten in unterschiedlichen Längen produziert die Firma 3R AG auch moderne Rodelschlitten und Flizzer in verschiedenen Ausführungen. «Der Holzschlitten ist eine starre Konstruktion, der Rodelschlitten (Sitzfläche mit farbigen Nylon-Gurten bespannt) lässt sich mit seinen schrägen Kufen und seiner Beweglichkeit mittels Steuerseil und Gewichtsverlagerung präzise lenken. Und der Flizzer ist eine Mischung zwischen dem Rodel und dem konventionellen Davoser Schlitten.» Erwin Dreier erklärte, dass bei jedem Schlitten das Signet «Davos» eingebrannt wird. Die Schlitten der Firma 3R AG tragen zudem noch die Armbrust mit dem Markenlabel «Swiss Made». Der Name sei allerdings nicht geschützt.Seit etwa 90 Jahren werden an der Kirchstrasse 1 in Sulgen die Original Davoser Schlitten hergestellt – damals hiess die Firma noch Graf Holzwaren AG. Erwin Dreier konnte im August 2002 dann den Betrieb übernehmen. Man setzte auf die beiden Kernkompetenzen – die Schlittenproduktion und das Dampfbiegen. Zwölf Jahre später wurde die Firma neu positioniert, es erfolgte die Namensänderung in 3R AG. Nebst der Herstellung der bekannten Schlittenmarke produziert die Firma inzwischen auch weitere Holzgegenstände, zum Beispiel gebogene Sitzbänke für den öffentlichen Raum.

Yvonne Aldrovandi-Schläpfer