Freitag, 7. März 2025
Sulgen. Die Metzgerei Herrmann aus Sulgen wurde als vorbildlicher Lehrbetrieb ausgezeichnet – mit dem wichtigsten Preis, den es in der Schweizer Fleischwirtschaft gibt. Inhaber Werner Herrmann hat in seiner Laufbahn rund 70 Lehrlinge und Lehrtöchter ausgebildet und zu einem guten Abschluss geführt.
Werner Herrmann ist hoch erfreut darüber, im fortgeschrittenen Alter selbst noch einmal gute Noten zu bekommen – überrascht über die unangekündigte Ehre sei er trotzdem gewesen. Denn bewerben kann man sich nicht für den Hermann-Herzer-Preis. Jedes Jahr schlagen die Lehrlingsobmänner der Kantone einen beispielhaften Betrieb vor, dem dann von der gleichnamigen Stiftung der Preis verliehen wird. Der Sulger Metzgermeister fiel also aus allen Wolken, als er die Einladung bekam, Urkunde und Preisgeld am Basler Hauptsitz von Bell in Empfang nehmen zu dürfen. «Das ist der Ehrenoscar der Branche», unterstreicht Herrmann die grosse Bedeutung des Preises und den Umstand, dass er die Belohnung nicht für seine eigene Karriere bekommen hat, sondern für sein Lebenswerk, seine Berufung: die Ausbildung anderer.
So läuft die Ausbildung
Der 65-Jährige hat in seiner Laufbahn etwa 40 Lehrtöchter und 30 Lehrlinge durch gute Betreuung und planmässige Förderung zu guten Abschlüssen geführt. Bekannt ist Herrmann dafür, Flüchtlingen und Jugendlichen unter schwierigen Voraussetzungen eine Chance zu geben. Was die Sache noch bemerkenswerter macht, denn: «Es sind nicht die Selbstläufer mit den guten Noten, welche die meiste Unterstützung brauchen.» Sein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch persönliche Entwicklung und Respekt in den Vordergrund stellt, wurde anlässlich der Preisverleihung im Dezember extra gewürdigt. «Eine gerade Linie, konsequente Ansagen und klare Spielregeln, das ist wichtig», erklärt der Ausbilder seinen Stil in eigenen Worten. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, hat es schwer mit ihm.
Egal, ob beim Schlachten, Wursten oder hinter der Theke: Die Ausbildung zum Fleischfachmann hat sich über die Jahre gewandelt. Werner Herrmann war als Vorstandsmitglied des Schweizer Fleisch-Fachverbands jahrzehntelang hautnah an diesem Wandel beteiligt, revidierte Regelwerke für Prüfungen sowie Lehrgänge und definierte das Gesicht des Berufs. Unter anderem sei es ihm ein Anliegen gewesen, die überbordende Bürokratie in Grenzen zu halten, meint er rückblickend. Auch für dieses unschätzbare Engagement im Verband wurde er geehrt.
Das ist dem Chef wichtig
Als Inhaber einer klassischen Metzgerei mit teilweise 15 Angestellten, in der vom Kauf der Tiere über die Schlachtung und Veredelung der Produkte bis zum Verkauf alles selbst gemacht wird, gibt es allerdings eine Auszeichnung, die ihm noch mehr bedeutet als der Preis aus Basel. Zu vielen jungen Menschen, die bei ihm das Handwerk gelernt haben, hat der Kontakt über die Ausbildung hinaus gehalten. Den Chef erfüllt es mit Stolz, wenn er mitbekommt, wie die einstigen Schützlinge auf eigenen Füssen stehen und selbst Karriere machen. Einige haben sich für ein Studium entschieden und üben heute Kaderfunktionen aus. Es freut ihn zudem besonders, wenn Ehemalige Familien gründen und mit dem Nachwuchs im Laden vorbeischauen. «Am meisten aber freut es mich, wenn unsere Kundinnen und Kunden die Mitarbeitenden beim Namen kennen», sagt er. Das ist ein Ritterschlag nach seinem Geschmack.
Dotiert ist der Hermann-Herzer-Preis übrigens mit 5000 Franken. Einen Teil davon hat Metzger Herrmann seinen Mitarbeitenden gegeben – was ganz im Sinne des Stifters sein dürfte. Hermann Herzer war langjähriger Geschäftsführer der Bell Group und gründete die Stiftung, um die Besten der Bell-Belegschaft zu belohnen. Erst über die Jahre wurde der Preis zu dem, was er heute ist.
Stefan Böker