Freitag, 27. Juni 2025
Erlen. Die Informationsveranstaltung zum Thema Strom und Zukunft der Gemeinde mobilisierte: Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Teilnehmenden hörten Vorträge zur komplexen Sachlage und stellten im Anschluss eigene Fragen.
Dass trotz des komplexen Sachverhalts und hochsommerlicher Temperaturen so viele Menschen in die Mehrzweckhalle kamen, bewies die Dringlichkeit des Themas. Gemeindepräsident Thomas Bosshard begann den Abend mit einer Übersicht über die aktuellen Stromtarife – und schickte gleich vorweg: «Heute Abend wird es streng. Gut aufpassen!»
Grosse Veränderungen
Den ersten Vortrag hielt Giacomo D’Errico. Er informierte über die grössten Veränderungen auf dem Strommarkt. Diese betreffen Versorger auf der einen Seite, Konsumenten auf der anderen. So müssen Energieerzeuger und Netzbetreiber ihre Systeme und Netze ausbauen, um mehr dezentrale Energieflüsse zu steuern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Denn dass so eine grosse Menge Bürger ihren eigenen Strom produzieren und bei Überfluss wieder ins Netz zurückspeisen: Das gab es vor wenigen Jahren noch nicht.
«Mit dieser erhöhten Produktion spielt die Abhängigkeit vom Wetter für eine stabile Stromversorgung eine noch grössere Rolle», meinte D’Errico. Neu sei dazu der Prozess der Strombeschaffung. Eine Gemeinde wie Erlen beschaffe jeweils am 31. August bereits 75 Prozent des Stroms fürs folgende Tarifjahr und mindestens 50 Prozent für das übernächste sowie 15 Prozent für das dritte Jahr infolge.
Komplexere Gesetze
Die Gesetze seien viel umfangreicher geworden, nahm der Fachmann das neue Energierecht als Beispiel. Dieser aktuelle Mantelerlass habe über 2000 Absätze – also fast zehnmal so viel wie eine Stromverordnung vor 20 Jahren. «Selbst Profis blicken da nicht immer durch», gestand er. Unter anderem sollen die neuen Gesetze erreichen, dass mehr Strom gespart wird. Für die Kundschaft ergeben sich auch Vorteile: Ab 1. Januar 2026 ist es möglich, sogenannte «Lokale Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG) zu bilden. Das sind Zusammenschlüsse über Häusergrenzen hinweg innerhalb einer Gemeinde auf gleicher Netzebene – beispielsweise Haushalte in Kümmertshausen mit solchen in Riedt. Preislich wolle der Bund durch fixe Mindesttarife bei der Rückvergütung erreichen, dass sich Photovoltaikanlagen (PVAs) amortisieren lassen.
Im zweiten Vortrag nahm Bernd Debrunner mehrere dieser Punkte auf. Etwa die frühe Strombeschaffung. «So verhindern wir, dass Strompreise wie im Jahr 2023 wegen einer Krise explodieren», erklärte er den Sinn dahinter. Dank besserer Netze werde es auch möglich sein, präziser und in kurzen Abständen zu messen, informierte er. «Das generiert zwar neue Kosten, ermöglicht aber eine transparente Rechnung.» Den Weg zu einer LEG beschrieb er als relativ einfach. Man stellt eine Anfrage, welche die Gemeinde innert zwei Wochen prüfen müsse. Am Ende werde ein Vertrag zwischen den Zählerbesitzern aufgesetzt. Eine weitere gesetzliche Vereinfachung betrifft ab 1. Juli 2025 PVAs an Fassaden, welche nur noch bei schützenswerten Objekten eine Bewilligung benötigen.
Gut genutzte Fragerunde
In der Fragerunde wollten Hausbesitzer wissen, wie sie ihr eigenes System verbessern können, welche Anreize die Gemeinde für eine Optimierung bereithält und ob Zusammenschlüsse gefördert werden. Breiter diskutiert wurden zudem innovative Speichermöglichkeiten für überschüssige Energie wie Sandspeicher, die im Ausland bereits zum Einsatz kommen, oder ob Zusammenschlüsse auf kantonaler oder sogar nationaler Ebene hilfreich sind. Die Grundsatzfrage, ob PVAs überhaupt noch sinnvoll sind, wurde auch gestellt. «Auf jeden Fall», antwortete Debrunner. Die flexible Steuerung der Stromerzeugung müsse jedoch verbessert werden, vor allem das Zusammenspiel zwischen Produktion, Speicherung und Verbrauch.
Stefan Böker