Freitag, 20. September 2019

Bürglen. Kilian Germann ist seit Anfang Juni neuer Gemeindepräsident von Bürglen. Die Entwicklung der Gemeinde an vorderster Front mitzugestalten, sieht er als grosses Privileg an. 

Wie berurteilen Sie nach den ersten dreieinhalb Monaten im Amt Ihr neues berufliches Umfeld? Entspricht es Ihren Erwartungen? 

Kilian Germann: Ich bin von der Verwaltung sehr positiv aufgenommen worden. Alle arbeiten kompetent und unterstützen mich, so dass mir der Start gut gelungen ist. Erwartungen hatte ich keine, denn damit steht man sich oft selber im Weg. Ich habe mir vor Amtsantritt ­jedoch gesagt: Komme offen hierher, schaue, was es zu erledigen gibt und packe es an. 

Gibt es etwas, das Sie unterschätzt haben?

Germann: Nicht unterschätzt, aber als neu empfunden habe ich die Verfahrensabläufe. Diese zu kennen, zu verstehen und zu wissen, wie und wo sie anzuwenden sind, ist nicht ganz einfach. Da bin ich froh, dass ich mit der Gemeindeschreiberin Iris Weber eine professionelle und erfahrene Person an meiner Seite habe. Diese Abläufe, die auf gesetzlichen Vorgaben beruhen, relativieren auch das zeitliche Tempo, mit dem etwas erreicht werden kann. Die Unterschiede zur Privatwirtschaft sind in diesem Bereich gross. Das hätte ich so nicht gedacht.  

Wie haben Sie die Gemeinde übernommen? 

Germann: Gut! Ich kann nur Danke sagen, dass mir diese Möglichkeit gegeben worden ist. In meinem Alter beruflich nochmals etwas Neues zu machen, ist ein grosses Privileg. Ich gehe die Herausforderungen voller Freude und Elan an.

Hat sich Ihr Blick auf Bürglen seit Ihrem Amtsantritt verändert? 

Germann: Ja, denn man erhält überall einen viel tieferen Einblick, ist mittendrin und schaut nicht nur von aussen zu. Und man trägt Verantwortung. 

Welchen Ihrer ersten öffentlichen Auftritte haben Sie besonders genossen? 

Germann: Spontan kommt mir da das Jubiläum im Haus Miranda in Leimbach in den Sinn. Nebst Regierungsratspräsident Jakob Stark war auch ich eingeladen, einige Worte an die Festbesucher zu richten. Wie viele Leute aus Leimbach zu dieser Jubiläumsfeier gekommen sind und wie sehr die Institution im Ort akzeptiert ist, hat mich fasziniert. Fasziniert hat mich aber auch, wie die Bewohnerinnen und Bewohner zur tollen Atmospäre beigetragen und wie sehr sie sich voller Lebensfreude engagiert haben. 

Was macht Ihnen am meisten Spass bei Ihrer neuen Tätigkeit?  

Germann: Meine Arbeit ist so vielseitig und abwechslungsreich, dass alles seinen Reiz hat. Etwas rauszupicken ist deshalb schwierig. Sei es das Soziale, das Bauwesen, wo es zum Beispiel etwas anzuschauen oder zu beurteilen gilt, oder seien es Gespräche mit Ämtern des Kantons – alles ist bereichernd. Der Kanton Thurgau bemüht sich übrigens sehr, dass sich neue und bestehende Amtsträger kennenlernen können. Mit Menschen zusammenzukommen, ist sowieso immer interessant, ob es nun darum geht, mit dem Personal oder der Bevölkerung nach Lösungen für ein Problem zu suchen oder unseren älteren Einwohnern mit einem Glas Honig zu ihren Jubiläen zu gratulieren. 

Von Ihrem Vorgänger haben Sie mit der Neugestaltung des Werkhofs ein grosses Projekt übernommen. Können Sie uns sagen, wie der Stand ist? 

Germann: Nach meinem Einsitz in der Baukommission hatten wir entschieden, dass wir die beteiligten Körperschaften und Vereine noch mehr einbeziehen wollen. Wir luden sie zu einer Veranstaltung ein, wo wir sie detailliert über den Stand des Projekts informierten. Die Aufgabe ist klar: Die Sanierung wurde abgelehnt, der Gemeinderat muss diesem Vorschlag ein Neubauprojekt gegenüberstellen. Am Informationsanlass entstand dann aber schnell eine Diskussion darüber, ob bei einem Neubau das Militär überhaupt berücksichtigt werden soll. Wie viele Kosten könnten so gespart werden und wie hoch wäre überhaupt der Nutzen des Militärs, waren Fragen, die aufkamen. Der Gemeinderat wird nun an der kommenden Gemeindeversammlung zwei Neubauofferten vorlegen, einmal mit und einmal ohne Militär. Wir hoffen, dass die Stimmbürger offen und ehrlich über die Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen nachdenken und dass die Diskussion ohne Polemik sachlich geführt werden kann. Denn eines ist unbestritten: Wir brauchen zeitgemässe Arbeitsplätze im Werkhof. 

Welche weiteren Projekte haben Priorität? 

Germann: Ganz wichtig ist die Revision der Ortsplanung, zu der auch Richtplan, Zonenplan, Baureglement und Schutzplan gehören. Die Ortsplanung müssen wir bis zur Genehmigungsfähigkeit erarbeiten und dem Kanton einreichen. Mit diesem Projekt sind wir etwas später dran als andere Gemeinden. Eine weitere wichtige Angelegenheit, die mir am Herzen liegt und die ich vorwärts bringen möchte, ist die Elektrizitätsversorgung. Die Gegebenheit in Bürglen ist speziell, da die Familie Böhi ihr Werk ausserkantonal an die SAK verkauft hat und die Gemeinde für Leimbach und Op­fershofen ein eigenes Elektrizitätswerk betreibt. Die unterschiedlichen Strompreise innerhalb unserer Gemeinde gefallen mir nicht, auch die im Wahlkampf angesprochenen Perimeterausstände haben zum Teil mit dem Besitzerwechsel zu tun. Wir werden da konstruktiv vorwärtsschaffen, um eine gute Lösung zu finden. 

Im Wahlkampf wurde dem Gemeinderat von verschiedenen Seiten Stagnation vorgeworfen. Sie haben nun Ihre ersten Sitzungen geleitet. Was sind Ihre Erfahrungen? 

Germann: Ich erlebe den Gemeinderat als kontruktiv und mitdenkend. Das Tagesgeschäft geht immer vorwärts und auch an der Zukunft wird gearbeitet. So haben wir zum Beispiel entschieden, im September 2020 zum 25-Jahre-Jubiläum der Politischen Gemeinde Bürglen ein Fest auf die Beine zu stellen. Dafür wird eine Kommission gegründet, in der unter anderem vier Gemeinderäte mitarbeiten.  

Worauf freuen Sie sich in den nächsten 100 Tagen? 

Germann: Einzelne Rosinen herauszupicken fällt mir schwer. Ich freue mich einfach darauf, mit diesem coolen Team weiterzuarbeiten. 

Interview: Hannelore Bruderer