Freitag, 21. August 2020

Sulgen. Andrea Wittwer träumt davon, die Ausbildung zur Heissluftballonpilotin zu absolvieren. Mit dem Bau eines eigenen Modell-Ballons ist sie ihrem Traum ein Stück nähergekommen. 

Der Stoff, aus dem Träume gemacht sind, ist in Andrea Wittwers Fall Nylon. Im Rahmen einer Projektarbeit im letzten Schuljahr an der Sekundarschule Befang hat die 15-jährige Sulgerin aus dem synthetischen Gewebe einen Modell-Ballon gefertigt. 

Familiär vorbelastet

Ihre Begeisterung für Heissluftballone kommt nicht von ungefähr. «Ich bin damit aufgewachsen. Mein Vater ist seit über 25 Jahren Ballonpilot. Ich durfte ihn schon oft begleiten und habe von ihm schon viel über das Ballonfahren gelernt», erklärt Andrea Wittwer, die vor Kurzem eine Ausbildung zur Kauffrau auf der Gemeindekanzlei in Sulgen begonnen hat. «Als kleines Mädchen habe ich jeweils aus dem Ausstiegsloch hinausgeschaut, weil ich zu klein war, um über den Rand des Korbes zu sehen», erinnert sie sich. Die Wahl ihrer Projektarbeit fiel Andrea Wittwer nicht leicht. Kaum war die Idee geboren, war sie aber nicht mehr zu bremsen. Zudem war sofort klar, dass ihr Ballon eine Miniaturausgabe des legendären «Smiley-Ballons» von Vater Marcel werden sollte. Marcel Wittwer war es auch, der ihr zur Vorbereitung eine Betriebsführung in der Ballonmanufaktur Schroeder im deutschen Schweich ermöglichte. «Mit meinem Projekt bin ich bei der Firma auf offene Ohren gestos­sen. Sie haben darauf die Masse vom grossen Ballon meines Vaters computertechnisch reduziert und die Stoffbahnen zugeschnitten», erklärt sie. Danach war Andrea Wittwer, die mit ihren Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern im Sulger Oberdorf wohnt, auf sich alleine gestellt. 

Eine strenge Arbeitswoche

Mit 384 Einzelteilen im Gepäck reiste sie ins luzernische Buchrain, um in einem Ballonunterhaltsbetrieb während einer Woche die Einzelteile nach Vorlage zusammenzunähen. «Das dauerte 42 Stunden und war sehr anspruchsvoll und anstrengend», sagt Andrea Wittwer. Ihre Arbeit am Modell-Ballon dokumentierte Andrea Wittwer in einer umfangreichen schriftlichen Arbeit. In ihr finden sich auch die Geschichte der Ballonfahrt, physikalische Hintergründe oder eine Reflexion. Mit dem Ergebnis ist sie sehr zufrieden. Als Highlight bezeichnet sie den Moment, als sie den Modell-Ballon zum ersten Mal aufstellen konnte. Wie das grosse Vorbild verfügt der Modell-Ballon über einen Korb mit Gasbrenner. Zum Transport von Personen taugt der Modell-Ballon mit einem Volumen von 90 Kubikmetern aber nicht. Er lässt sich mittels einer Fernsteuerung lenken. Dafür ist er hilfreich bei der Ausbildung zur Ballonpilotin, die Andrea Wittwer unbedingt absolvieren möchte. Dank des Modells können verschiedene Funktionen wie die Handhabung oder die Reaktionen auf das Gassystem trainiert werden. 

Lehre hat Vorrang

«Die Ausbildung ist sehr intensiv und anspruchsvoll. Die Lehre auf der Gemeinde steht momentan im Vordergrund», stellt Marcel Wittwer klar. Andrea Wittwers Ziel ist es, mit zwanzig Jahren die Pilotenausbildung im Sack zu haben. Damit würde sie ihrem Vater den Rang des jüngsten Ballonpiloten der Schweiz streitig machen. «Das Ballonfahren gehört zu meinem Leben und ich freue mich sehr, dass Andrea diese Leidenschaft teilt», sagt Marcel Wittwer. Dass die Präsentation der Projekte der Abschlussklässler in diesem Jahr wegen der Coronapandemie ins Wasser fiel, bedauert Andrea Wittwer sehr. «Es hatte so viele aussergewöhnliche, aufwendige und tolle Projekte darunter», sagt sie.

Monika Wick