Freitag, 20. November 2020

Kradolf. Ein Zufall entfachte in René Kubli das Interesse an Gitarren aus Zigarrenkisten und Öl-Dosen. Heute investiert er einen grossen Teil seiner Freizeit in den Bau der sogenannten Cigarbox- und Oil-Can-Guitars. 

Was für die einen lediglich Abfall ist, ist für René Kubli das Herzstück seiner aussergewöhnlichen Kreationen. Der 51-
Jährige baut aus leeren Zigarrenkisten oder Öl-Dosen Gitarren. Zu seinem Hobby ist René Kubli, der mit seiner Frau Lukretia und seinen zwei Kindern in Kradolf wohnt, durch Zufall gekommen. «Während des Zappens durch verschiedene Fernsehsender bin ich auf einen Beitrag gestossen, in dem ein Mann eine Gitarre aus einer Zigarrenkiste und einem Besenstiel gebaut hat», erklärt René Kubli. Da er nicht für möglich gehalten hat, dass das wirklich funktionieren soll, hat er kurzerhand beschlossen, selber eine sogenannte Cigarbox-Guitar zu bauen. Getrieben von seinem Vorhaben, durchstöberte er Brockenhaus um Brockenhaus nach einer Zigarren-Kiste, die als Resonanzkörper für seine erste, selbst gebaute Gitarre dienen sollte. Da René Kubli nicht fündig wurde, verwendete er eine alte Teekiste und ein Vierkantholz als Hals. «Sie war viel zu schwach gebaut und hat nicht funktioniert», gibt René Kubli unumwunden zu. Aufgeben war für den Kradolfer, der als Magnetfeldabschirmtechniker arbeitet, keine Option. 

Bau perfektioniert

Mittlerweile hat René Kubli den Bau von Cigarbox-Guitars und Oil-Can-Guitars, die ihren Ursprung in den Slums von Südafrika haben, perfektioniert. «Heute versehe ich die Gitarren mit Ton- und Volumenreglern sowie Tonabnehmern, die ich selber baue», erklärt Kubli. Auch bei der Gestaltung der Kisten setzt sich René Kubli keine Grenzen. So hat er beispielsweise bei einem alten Mikrowellenherd seiner Mutter den Transformer entfernt, um Zigarrenkisten, die er zuvor mit einer Lösung aus Soda und Backpulver besprüht hatte, mittels Hochspannungsentladungen zu bearbeiten. «Durch die Technik entstehen sogenannte Lichtenberg-Figuren», erklärt René Kubli. Die durch das Verfahren entstandenen Vertiefungen, die an Bäume, Farn oder Sterne erinnern, füllt er mit Epoxid-Harz auf, wodurch wahre Kunstwerke entstehen. 

Ursprung im 18. Jahrhundert

Ansonsten legt René Kubli grossen Wert darauf, beim Ursprung der Cigarbox-Guitars zu bleiben, deren Geschichte bis ins 18. Jahrhundert reicht. «Die Erfinder der Cigarbox-Guitars waren in Armut lebende Afro-Amerikaner, die sich keine echten Instrumente leisten konnten», erklärt René Kubli. Obwohl die damaligen Cigarbox-Guitars, die lediglich aus einer Kiste, einem Besenstiel, ein paar Nägeln, Schrauben und Draht gebaut wurden, relativ primitiv waren, entwickelte sich der darauf gespielte Blues zum Sound der Strasse und zum Sprachrohr jener, die keine Stimme hatten. Die Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren verlieh den «hausgemachten» ­Gitarren erneuten Schub. «Die Zeiten waren hart und so war es ein beliebter Zeitvertreib, auf der Veranda zu sitzen, zu singen und Blues zu spielen», sagt René Kubli. Aktuell erleben die Cigarbox-Guitars ein Revival, da viele Bluesfans, darunter auch einige namhafte Musiker, den rauen und ursprünglichen Sound wiederbeleben möchten. Der markanteste Unterschied zu herkömmlichen Gitarren besteht darin, dass Cigarbox-Guitars lediglich über drei bis vier Saiten verfügen. Unterdessen hat René Kubli durch den Bau seiner Gitarren einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. «Der Fernsehsender Pro 7 hat sich bei mir für die Sendung Joko und Klaas eine Gitarre in Form eines Spatens ausgeliehen», sagt er. Auf ihn aufmerksam geworden ist der Sender durch die Homepage des Gitarrenbauers. Auf ihr bietet René Kubli alles an, was potenzielle Nachahmer zum Bau einer eigenen Gitarre benötigen, Anleitungen inklusive. «Wegen Corona müssen die Workshops pausieren», erklärt René Kubli. 

Laser zweckentfremdet

Wenn sich die Gelegenheit bietet, stellt er die Gitarren an Fachmessen aus oder zeigt sie an regionalen Märkten. Mit im Gepäck hat René Kubli neuerdings auch kleine Schiefertäfelchen, die als Untersetzer für Gläser oder Raclette-Pfännchen dienen. «Ich habe gemerkt, dass ich mit dem Laser, mit dem ich sonst die filigranen Teile der Tonabnehmer ausschneide, auch gravieren kann», erklärt der Tüftler lachend. 

Monika Wick