Freitag, 7. Oktober 2016

Sulgen. Mit ihrem Plan, 52 Billett-verkaufsstellen von Drittanbietern zu schliessen, stösst die SBB auf Widerstand. Nachdem bereits die Thurgauer Regierung gegen die Schliessung interveniert hat, ziehen die betroffenen Gemeinden nach.

Seit der Schliessung des Schalters am Bahnhof vor sechs Jahren können in Sulgen Bahnbillette am Postschalter bezogen werden. Nach dem Willen der SBB soll damit Ende 2017 aber Schluss sein. Argumentiert wird mit sinkenden Umsatzzahlen an den bedienten Verkaufspunkten und Einsparungen durch den Wegfall von Provisionen an Drittanbieter, wenn über die eigenen Verkaufskanäle – das sind Billettautomaten, der Online Ticket Shop und das App für Mobiltelefone – verkauft wird. In Sulgen sammeln seit letzter Woche der Gemeinderat und die SP AachThurLand aktiv Unterschriften für eine Petition gegen die geplante Schlies­sung der Drittverkaufsstellen.

Bedarf ist vorhanden
815 000 verkaufte Billette von Drittverkaufsstellen im Jahr 2015 seien Beweis genug, dass das Angebot einem Bedürfnis entspräche, sagt Gemeindepräsident Andreas Opprecht. Er schätzt, dass am Schalter der Sulger Post täglich um die zehn bis fünfzehn Billette gekauft werden, genaue Zahlen liegen jedoch nicht vor. Die Gemeinde Sulgen zahlt im Rahmen des gesetzlichen Verteilschlüssels jährlich rund 215 000 Franken an die Dienstleistungen der SBB. Nicht nur deshalb ist der Gemeinderat Sulgen über den schleichenden Abbau der Dienstleistungen des Bahnunternehmens enttäuscht. «Aus Sicht des Gemeindrates müssen die SBB als öffenliches Unternehmen nebst den betriebswirtschaftlichen Gründen aber auch andere Interessen berücksichtigen», sagt Opprecht. Hauptbetroffen vom Entscheid seien die ältere Bevölkerung und alle jene, die mit elektronischen Hilfsmitteln aus verschiedenen Gründen Mühe bekunden würden. «Auch sie haben es verdient, dass ihre Bedürfnisse beim Billettkauf gewürdigt werden.» Ein weiterer Grund, der laut Gemeinderat für eine bediente Verkaufsstelle spricht, ist der Beratungsservice. «Beim komplizierten Tarifsystem sind viele dankbar für Auskünfte. Diese können vom Personal am Schalter der Post erbracht werden. Der von den SBB als Alternative aufgeführte RailService ist in unseren Augen, besonders wegen der Gebühr von 1.19 Franken pro Minute, nicht kundenfreundlich», erklärt Andreas Opprecht.
Alex Granato, der Präsident der SP AachThurLand, wirft zugunsten des Beibehalts der Drittverkaufsstellen noch zwei weitere Argumente in die Waagschale – den gesellschaftlichen Nutzen von persönlichen Kontakten und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Ein erster Teilerfolg
In den ersten sechs Tagen sind bereits über 500 Unterschriften gesammelt worden, und über 1000 sollen es noch werden. Unterschriftsbögen können auf der Gemeindeverwaltung bezogen oder auf der Homepage der Gemeinde heruntergeladen werden.
Die Unterschriftensammelaktion dauert noch bis zum 16. Oktober. Dann will der Gemeinderat Sulgen ein erstes Fazit ­ziehen und sich mit ­einem Brief an die Direktion der SBB wenden. Zu den Erfolgsaussichten sagt Andreas Opprecht: «Der Gemeinderat ist überzeugt, dass die Leitung der SBB die Anliegen jeder Gemeinde ernst nimmt und sie prüfen wird. Ob die Argumente der Gemeinden und des Regierungsrats beim Bahnunternehmen etwas bewirken werden, können wir aber nicht abschätzen.»

Hannelore Bruderer