Freitag, 25. März 2022

Sulgen. Für einen möglichst konstant hohen Grundwasserspiegel pumpt die Wasserversorgung Sulgen in diesen Tagen Wasser aus dem Thurkanal in das Absetzbecken im Auholzwald. Die Anlage zur Grundwasseranreicherung wurde 1997 fertiggestellt. 

Blauer Himmel und Sonnenschein – Frühlingstage, wie man sie es sich wünscht. Doch die aussergewöhnlich lange anhaltende Schönwetterperiode hat auch seine Schattenseiten: Es ist sehr trocken. Trockene Phasen haben einen direkten Einfluss auf den Thurgrundwasserstrom. Aus diesem pumpt die Wasserversorgung Sulgen einen grossen Teil ihres Trinkwassers, mit dem sie rund 7500 Kunden in Sulgen, Erlen und Leimbach versorgt.

Sichere Wasserversorgung

In den Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende machte man sich im Sulger Gemeinderat Gedanken darüber, wie man die natürlichen Schwankungen des Grundwasserspiegels ausgleichen könnte, um die Wasserversorgungssicherheit auch in extrem trockenen Zeiten zu gewährleisten. So wurde ein Projekt zur naturnahen Versickerung von Thurwasser über ein Absetzbecken im Auholzwald erarbeitet. Die Anlage wurde 1997 fertiggestellt. Abgepumpt wird das Wasser vom Thurkanal, dann fliesst es durch eine rund 200 Meter lange Druckleitung bis zum Einlaufschacht, von wo es in ein u-förmiges Absetzbecken sprudelt. «Das Wasser im Becken versickert innert wenigen Stunden. Bis es durch die Kiesschicht das Grundwasser erreicht, dauert es dann rund 20 Tage», sagt Thomas Zwahlen, der stellvertretende Brunnenmeister. Die Pumpleistung beträgt rund 5700 Liter pro Minute. 

Kiesgrube aufgehoben

Das Einleiten von Thurwasser soll verhindern, dass der Grundwasserspiegel unter ein kritisches Niveau sinkt. Obwohl die Anlage seit über zwanzig Jahren existiere, werde sie erst ab 2013 regelmässig genutzt, erklärt Gemeindepräsident Andreas Opprecht. «Vorher befand sich im Bereich Au eine Kiesgrube. Da diese tiefer als das Absetzbecken lag, drückte das abgepumpte Wasser in die Kiesgrube, wo sich auch Arbeitsmaschinen befanden. Aus Sorge um eine mögliche Verschmutzung durch die Motoren sowie zum Schutz dieser Geräte, sah man bis zur Stilllegung und Zuschüttung der Kiesgrube von der Grundwasseranreicherung ab.» Derzeit ist die Grundwasseranreicherung jeweils für einige Stunden in Betrieb. Damit wird der Grundwasserspiegel vorsorglich angehoben. Die Aufschaltung erfolgt manuell durch den Brunnenmeister und ist über eine Zeitschaltuhr geregelt. «Beim Einlauf befindet sich eine Trübungsüberwachung. Ist der Schwebestoffanteil im Wasser zu hoch, stellt die Anlage automatisch ab», erklärt Thomas Zwahlen. Die Wasser­entnahme sei eigentlich immer möglich, ausser die Thur führe aufgrund hoher Trockenheit zu wenig Wasser, so dass der Kanton ein Entnahmeverbot erlasse. 

Starke Schwankungen

Thomas Zwahlen hat eine Aufstellung gemacht, wie oft die Grundwasseranreicherung in den letzten Jahren in Betrieb war. 2013, im ersten Betriebsjahr, lief die Anlage rund 600 Stunden. Da es 2014 und 2016 genügend regnete, fanden in diesen Jahren keine Grundwasseranreicherungen statt, im Jahr 2015 waren es wegen der Kanalsanierung nur rund 200 Stunden. Längere Entnahmenstunden folgten im 2017 (600 Stunden), 2018 (2150 Stunden), 2019 (1700 Stunden), 2020 (2800 Stunden). 2021 führte das Amt für Raum­entwicklung des Kantons Thurgau eine Probeflutung des Auenwaldes durch, weshalb in diesem Jahr keine Grundwasseranreicherung durchgeführt wurde. Die hohe Anzahl an Betriebsstunden im Jahr 2020 ist auch auf den erhöhten Chlorothalonilwert im Trinkwasser zurückzuführen. Um diesen zu senken, hatte die Gemeinde nebst dem seit 2019 zugeleiteten Seewasser in die Wasserversorgung Sulgen auch vermehrt Thurwasser in das Absetzbecken eingeleitet. 

Netz breit abgestützt

Während der Wasserverbrauch durch die Industrie und Private relativ konstant ist, schwankt der Verbrauch in der Landwirtschaft. Jetzt, da es seit Längerem trocken ist, könnte dieser wieder rasch ansteigen, sagt der Gemeindepräsident. «Diese naturnahe Wasseranreicherung ist ein gutes und günstiges Verfahren, wie wir den Grundwasserspiegel möglichst konstant halten können. Rückblickend kann man sagen, dass dies ein sehr vorausschauendes Projekt war. Dies auch vor dem Hintergrund, dass unsere Wasserversorgung 1997 noch nicht vernetzt war und nur über ein Pumpwerk verfügte.» Heute ist die Wasserversorgung breiter abgestützt. Nach einer Netzverbindung zur Wasserversorgung Kradolf-Schönenberg erfolgte 2016 eine weitere Verbindung zur Wasserversorgung Amriswil. 

Synergien nutzen

Um die Wasserqualität weiterhin hoch zu halten, muss das Absetzbecken im Auholzwald in den nächsten Jahren frisch ausgebaggert werden. Über die Jahre hat sich dort eine Sedimentschicht gebildet, die entfernt werden muss. «Wenn möglich, möchten wir dies gleichzeitig mit der geplanten Umsetzung des kantonalen Projekts zur Auenwaldüberflutung durchführen», sagt Andreas Opprecht. 

Hannelore Bruderer

Der Thurgrundwasserstrom

Das Grundwassergebiet zwischen Kradolf-Schönenberg und Bürglen ist ein in sich weitgehend geschlossener Abschnitt des Thurgrundwasserstroms. Es ist zirka sechs Kilomenter lang und einige Hundert Meter bis einen Kilometer breit. Grundwasserleiter ist der 10 bis 20 ­Meter mächtige Thurtalschotter. Dieser wird von einer maximal zwei Meter mächtigen Deckschicht überlagert, die dank ihrer lehmigen Natur dem Grundwasser einen gewissen Schutz bietet. Die Unterfläche wird durch eine recht flach einfallende muldenförmige Rinne von schlecht durchlässigen Moränen und Seeablagerungen gebildet. 

(Quelle: gwa 5/98 SVGW Zürich)